Im Zuge der MeToo-Debatte warnt Ferdinand von Schirach in einem Interview mit dem Magazin «Stern» vor medialen Vorverurteilungen.
Der weit über Deutschland hinaus bekannte Schriftsteller und Jurist regt eine Strafzahlung für Medien an, sollte eine unzutreffende Berichterstattung dazu führen, dass das Ansehen eines Betroffenen erheblich geschädigt wird. «Die Berichterstattung über MeToo-Fälle entwickelt sich zum Beispiel in den sozialen Medien zu einer Horrorgeschichte», sagt Schirach.
Weiter kritisiert Schirach, dass komplexe Sachverhalte «auf einen einzigen Satz reduziert» würden. Die Gefahr einer Strafzahlung würde Recherchen «ein ganz anderes Gewicht» verleihen, ist er überzeugt, weil das Publikum wüsste, was für Medien «auf dem Spiel steht».
Der Deutsche Journalisten-Verband reagierte postwendend auf Schirachs Einwürfe. «Dass Medien den Ruf von Menschen beschädigen können und dass die sogenannten ‚sozialen‘ Medien den Rest erledigen, ist eine Begleiterscheinung der Digitalisierung», schreibt der Verband in seinem Blog. «Der vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochene Jörg Kachelmann musste das leidvoll ertragen.»
Aus Sicht der Medien und des Journalismus sei Schirachs Forderung aber verheerend. «Die ersten Veröffentlichungen über Harvey Weinstein und seine sexuellen Erpressungen gab es aufgrund von damals noch unbewiesenen Behauptungen betroffener Frauen», schreibt der Verband.
Und weiter: «Würde über jeder Redaktion, die brisante Informationen herausbringen will, das Damoklesschwert einer Millionenstrafe schweben, gäbe es kaum noch MeToo-Veröffentlichungen. Diesen Journalismus wollen wir nicht.»