Moritz Friess ist Partner und Kommunikationsberater der Zürcher Agentur Feinheit.
Der Klein Report sprach mit Friess über die Kundenstruktur seiner Agentur, die zunehmende Personalisierung der digitalen Kommunikation und über den stetig lauter werdenden Ruf nach Künstlicher Intelligenz in Marketing, Kreation oder Kampagnenführung.
Der «klassische» Werbemarkt ist 2024 gemäss Media Focus um 0,9 Prozent geschrumpft. Der digitale Werbemarkt legte dagegen um 4,6 Prozent zu. Wie sieht die Lage auf dem Markt für Ihre Agentur zurzeit konkret aus?
Moritz Friess: «Als Kommunikationsagentur, die ihre Wurzeln in der Webentwicklung hat, sind wir traditionell stark im digitalen Bereich aufgestellt. Schon lange machen wir aber nicht mehr ‚nur‘ Entwicklung, sondern auch Marketing, Campaigning, Design und Beratung. Gerade in diesen Bereichen spüren wir die wachsende Bedeutung der Digitalisierung auf Kundenseite – jüngst besonders mit den immer stärker verbreiteten KI-Anwendungen. Und natürlich profitieren wir mit unserer langjährigen Expertise davon, wenn der Beratungsbedarf dahingehend steigt.»
Welche Entwicklung erwarten Sie für Feinheit im 2025?
Friess: «Die Bedeutung von KI-Anwendungen wird in sämtlichen Bereichen nochmals massiv zunehmen, die Entwicklung schreitet mit einem unglaublichen Tempo voran. 2025 werden wir damit sicher unsere Kernkompetenzen weiter stärken – bei Kampagnen etwa ergeben sich interessante Möglichkeiten. Gleichzeitig schauen wir genau, wo sich für unsere Kundschaft neue Anwendungsbereiche ergeben und zeigen ihnen auf, wie sie KI zielführend für ihre Bedürfnisse einsetzen können. Einen weiteren Trend sehen wir in der stetig fortschreitenden Personalisierung der digitalen Kommunikation. Sei es im politischen System, aber auch in der Unternehmenskommunikation: Was zieht, sind authentische Gesichter als Absender – und das selbst in Bereichen, wo man das nicht sofort erwarten würde.»
Beim agentureigenen Gesprächsformat «FeinTalk» ging es am 25. Februar um Künstliche Intelligenz in der öffentlichen Verwaltung. Wo kommt KI in der Arbeit Ihrer Agentur konkret zum Einsatz?
Moritz Friess: «Der Anlass war mit über 50 Teilnehmenden ein grosser Erfolg. Das Thema KI brennt offensichtlich unter den Nägeln. Die Gäste kamen aus ganz unterschiedlichen Bereichen und haben unser ganzes Kundenspektrum repräsentiert. Die Beratung zu KI-Anwendungen deckt bei uns entsprechend auch bereits eine grosse Bandbreite an Themen ab. Dabei hilft uns, dass wir KI-Anwendungen intern schon seit längerer Zeit einsetzen – bei Krea-Prozessen etwa, aber auch in der Recherche, der Programmierung oder der Evaluation von Marketing-Aktivitäten – und dass wir die Entwicklung sehr aktiv verfolgen.»
Die Kundenstruktur von Feinheit setzt sich ungefähr zu einem Drittel aus dem Bildungssystem, einem Drittel NGOs und weiteren zusammen. Wo sehen Sie das grösste Potenzial für Ihre Agentur?
Friess: «Neben dem Bildungssystem und verschiedenen NGOs nehmen auch KMU und grössere privatwirtschaftliche Akteure einen wichtigen Platz in unserem Portfolio ein. Mit vielen unserer Kunden pflegen wir eine Zusammenarbeit über Jahre oder fast schon Jahrzehnte, so generieren wir auch viele Word-to-Mouth-Leads. Zusätzliches Potenzial sehen wir bei der öffentlichen Hand: In den letzten Jahren konnten wir unsere Beratungs- und Entwicklungsexpertise immer öfter auch für städtische oder kantonale Verwaltungen einsetzen – Tendenz steigend.»
Feinheit war von Beginn an in den Bereichen Graphic Design, Identity/Corporate Design, Illustration, Web-Design, IT-Konzept und Programmierung stark. Wie hat sich der technische Bereich in den letzten Jahren verändert?
Moritz Friess: «Die grösste Veränderung ist sicherlich, dass wir mittlerweile zur Full-Service-Agentur gewachsen sind. Aber natürlich haben wir auch den technischen Bereich bei Feinheit stetig weiterentwickelt, um den steigenden Anforderungen der Digitalisierung gerecht zu werden. Dazu gehört seit 2023 unter anderem eine strategische Partnerschaft mit Ateleris, einem Schweizer Software-Entwicklungsunternehmen mit Expertise in Machine-Learning-Anwendungen. Mit der Partnerschaft können wir unser Angebot auf das wachsende Bedürfnis unserer Kundschaft ausrichten, auch im Bereich der Künstlichen Intelligenz kompetent beraten zu werden.»
Der heutige SP-Nationalrat Jon Pult arbeitete sechs Jahre bei Feinheit, seit 2022 sitzt er im Verwaltungsrat. Auch Michael Sorg, der ehemalige Co-Generalsekretär und Mediensprecher der SP Schweiz, war drei Jahre bei Feinheit unter Vertrag. Darf man Feinheit etwas zugespitzt als SP-Werbeagentur benennen?
Friess: «Nein, das wird unserem enorm breiten Kundenstamm nicht gerecht. Was uns leitet ist nicht eine Parteiaffinität, sondern allein unser Purpose: Wir schaffen an der Schnittstelle von Kommunikation und Digitalisierung Wirkung für Projekte, die einen gesellschaftlichen Mehrwert schaffen.»
Gemäss Ihrer Website arbeiten 22 Mitarbeitende für Feinheit, verteilt auf circa 17 Vollzeitstellen. Von denen sind sechs als Partner oder Partnerinnen an der Agentur beteiligt, wie auch Sie. Können Sie das Geschäftsmodell von Feinheit etwas erklären?
Moritz Friess: «Als Full-Service-Agentur bieten wir unserer Kundschaft die ganze Kette von der Analyse und Beratung über die Kreation und Entwicklung bis zum Ausspielen. Unser USP ist dabei sicher, dass wir die klassische Kommunikationsberatung mit unserer langjährigen Expertise in der digitalen Innovation und Entwicklung kombinieren. Und natürlich auch, dass wir aus der Begleitung von etlichen nationalen Kampagnen über eine profunde Kenntnis des politischen Systems verfügen.»
Die 2006 gegründete Feinheit AG hat ihren Hauptsitz in Zürich und seit 2019 eine Niederlassung in Bern. Weshalb wurde die Filiale gegründet und was ist heute ihre Hauptaufgabe?
Friess: «Viele der NGOs und Verbände, mit denen wir zusammenarbeiten, sind in Bern ansässig. Der Standort in der Bundesstadt ermöglicht es uns, möglichst nah bei dieser Kundschaft und natürlich auch am Puls des nationalen Politikbetriebs zu sein. Zudem ist Bern eine ideale Schnittstelle zur Romandie, wo wir – dank unserer mehrsprachigen Kompetenz – ebenfalls tätig sind.»