Weil die Politiker Alex Kuprecht und Thierry Burkart hinter einem pressefeindlichen Vorstoss stehen, verleiht das Recherche-Netzwerk investigativ.ch dem damaligen Präsidenten der Wirtschaftskommission sowie dem Wortführer und FDP-Parteichef den Goldenen Bremsklotz 2024.
Die Gewinner der Schmäh-Trophäe gewählt haben die rund 300 Journalistinnen und Journalisten, die dem Recherche-Netzwerks investigativ.ch angehören.
Dabei hatten sie die Qual der Wahl: Sie konnten zwischen drei Nominierten entscheiden: dem erstinstanzlichen Zivilgericht von Genf, dem Coop-Mediensprecher Kevin Blättler sowie eben den beiden Politikern Thierry Burkart und Alex Kuprecht. Letztere beiden dürfen sich künftig die «grössten Informationsverhinderer des Jahres 2024» nennen.
Dass die Wahl klar auf Burkart und Kuprecht fiel, hat seinen guten Grund: Nach den internationalen Enthüllungen der «Suisse Secrets» über problematische geheime Konten bei der Credit Suisse wurde die Schweiz international kritisiert, da Artikel 47 des Bankengesetzes Schweizer Medienschaffenden wegen drohender strafrechtlicher Konsequenzen eine Teilnahme an der Recherche verunmöglichte. Der Nationalrat verabschiedete daraufhin eine Motion zur Stärkung der Pressefreiheit im Banken- und Finanzbereich.
Als das Geschäft schliesslich im Ständerat zur Debatte stand, lehnte dieser die Motion aber nicht nur ab, sondern lenkte die Diskussion in eine völlig andere Richtung: Als Ersatz brachte die Wirtschaftskommission des Ständerats ein Postulat mit dem Titel «Handhabung der weiteren Verwendung illegal erworbener Daten» ein.
Darin wird der Bundesrat aufgefordert, zu prüfen, ob die Veröffentlichung «rechtswidrig erhaltener oder erhobener Daten» künftig strafbar gemacht werden soll. Betroffen wären also nicht nur Bankdaten, sondern generell alle vertraulichen Informationen, mit denen Investigativjournalistinnen und -journalisten arbeiten.
Verantwortlich für diesen Vorstoss sind vor allem zwei Personen: Der ehemalige Ständerat Alex Kuprecht (SVP Schwyz), der als damaliger Präsident der Wirtschaftskommission zu den Initiatoren des Postulats zählt, und Wortführer FDP-Parteichef Thierry Burkart, der in der Debatte versicherte, dass man damit die Pressefreiheit nicht weiter einschränken wolle.
«Dieser Vorstoss ist ein Versuch, die Arbeit investigativer Medienschaffender zu behindern und die Pressefreiheit auszuhöhlen», sagt Eva Hirschi, Geschäftsführerin von investigativ.ch.
In seiner Stellungnahme zum Postulat hatte der Bundesrat festgehalten, dass die geltende Rechtslage ausreichend sei, «um eine weitere Verwendung illegal erworbener Daten zu erfassen». Zudem sieht der Pressekodex klare Pflichten für Medienschaffende vor. «Journalistinnen und Journalisten müssen ein überwiegendes öffentliches Interesse sorgfältig prüfen und dürfen nur relevante Informationen veröffentlichen», sagt Hirschi.
Auch wenn es sich «nur» um ein Postulat handle, so sei die Stossrichtung klar medienfeindlich. Denn: Wäre die Veröffentlichung «rechtswidrig erhaltener und erhobener Daten» künftig strafbar, wären Journalistinnen und Journalisten darauf angewiesen, dass die Inhaber der Daten diese freiwillig herausgeben – was in der Praxis kaum je geschieht.
Der Anwalt und Medienrechtler David Zollinger erwähnte im «Tages-Anzeiger» ein treffendes Beispiel: «Wenn also ein Unternehmen die Umwelt verschmutzt oder ein Spital überhöhte Behandlungskosten abrechnet, könnten Medien nur dann darüber berichten, wenn das Unternehmen oder das Spital die entsprechenden Daten selbst freigibt.»
Trotz namhafter Kritik von Expertinnen und Experten und einem offenen Protestbrief des Recherche-Netzwerks investigativ.ch, der von über 600 Medienschaffenden unterzeichnet worden ist, hat der Ständerat dem pressefeindlichen Vorstoss zugestimmt.
Das Postulat wurde im Dezember 2023 vom Ständerat an den Bundesrat überwiesen; dieser hat zwei Jahre Zeit, einen Bericht in Erfüllung des Postulats auszuarbeiten.
Der Goldene Bremsklotz will Informationsverhinderung zur Debatte machen. Geschäftsführerin Eva Hirschi sagt: «Recherchen im Banken- und Finanzbereich müssen unbehindert stattfinden können. Die Arbeit von Medienschaffenden darf nicht kriminalisiert werden.»
Die UNO hat die Schweiz wegen dieser seit 2015 in Art. 47 des Bankengesetzes geltenden Regelung gerügt; sie bewertet das Gesetz als Verstoss gegen die Menschenrechtskonvention.
«Wir fordern das Parlament auf, die gesetzlichen Grundlagen für freie journalistische Arbeit zu schaffen», so Hirschi.