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Montag
07.05.2018

Marketing / PR

«Das falsche Versprechen der Zertifizierung»

«Das falsche Versprechen der Zertifizierung»

Ein Gutachten der Stiftung Changing Markets kommt zu Schluss, dass Öko-Gütezeichen in Tat und Wahrheit schlecht für die Umwelt sind.

Die Studie untermauert die Kritik von Greenpeace, dass Siegel wie ASC, MSC oder RSPO die Konsumentinnen und Konsumenten täuschen würden.

Zertifizierungslabels, die den Verbrauchern eigentlich dabei helfen sollten, umweltfreundliche Kaufentscheidungen zu treffen, behindern in Wirklichkeit die nachhaltige Entwicklung und müssen von Grund auf überarbeitet werden, dies das Ergebnis einer soeben erschienenen Studie der Stiftung Changing Markets. «Zertifizierungsprogramme nützen weder der Umwelt noch den Verbrauchern», sagt Nusa Urbancic, Kampagnenleiterin bei Changing Markets. Das derzeitige System funktioniere nicht. Es sei deshalb an der Zeit, über neue Ansätze für mehr Nachhaltigkeit nachzudenken, so Urbancic.

Für das Gutachten wurden verschiedene freiwillige Initiativen untersucht, die Unternehmen, Produkten oder Dienstleistungen ihre Nachhaltigkeit bescheinigen. Die Initiativen reichen von Produktsiegeln (wie das Label MSC des Marine Stewardship Council für nachhaltigen Fisch) bis hin zu branchenweiten Initiativen, deren Ziel die Verbesserung der Umweltleistung eines ganzen Sektors ist (zum Beispiel der Higg Index für Textilien). Das Gutachten kommt zum Schluss, dass diese Programme sich vor allem darauf konzentrieren, entweder möglichst viele Branchenakteure an Bord zu holen oder auf die wachsende Nachfrage nach zertifizierten Produkten zu reagieren. Konsequenz hieraus sei, dass die Initiativen ihre Nachhaltigkeitsstandards immer mehr nach unten korrigieren müssen.

Der Report von Changing Markets untermauert damit die Kritik von Greenpeace, dass die Industrie mit Öko-Siegeln oft auf Kosten der Umwelt Profit mache. Als Beispiele werden unter anderem das Fisch-Siegel MSC oder das Palmöl-Label RSPO genannt. Diese Nachhaltigkeits-Kennzeichen hätten versagt, so das vernichtende Urteil des Gutachtens.

«MSC ist derzeit absolut nicht vertrauenswürdig und weit davon entfernt, was wir als nachhaltig bezeichnen», sagt Yves Zenger von Greenpeace. Es sei ein von der Industrie dominiertes Label, dass vor allem wirtschaftliche Interessen verfolgt und ökologische, soziale und tierrechtliche Fragen hintenanstelle. «MSC führt die Konsumentinnen und Konsumenten in die Irre», so Zenger dezidiert. Vielen Konsumentinnen und Konsumenten sei es nicht bewusst, dass beim MSC-Fang zum Teil Grundschleppnetze eingesetzt werden, die den Meeresboden umpflügen. Jährlich würden zehntausende Haie, Meeresschildkröten und Delfine als Beifang sterben. «Die Zertifizierung von MSC wird zu voreilig vergeben, die Kontrollen und Sanktionen sind viel zu lasch», wie der Greenpeace-Mann gegenüber dem Klein Report ausführt.

Noch deutlicher spricht Yves Zenger über das ASC-Label: «ASC ist ein absoluter Etikettenschwindel!» Für die Aufzucht von Fisch in Farmen würden bis zu fünf Kilogramm Wildfisch als Futtermittel benötigt. Je nach Fischart würden auch grosse Mengen an Antibiotika, bedenkliche Chemikalien und gentechnisch veränderte Soja-Futtermittel verwendet. «Diese Zuchtfarmen tragen daher nicht zur Entlastung der Meere bei», so der Greenpeace-Sprecher. «Wenn wir das Leben in den Meeren bewahren wollen, kommen wir nicht um eine drastische Reduktion des Fischkonsums herum.»

Auch bezüglich Palmöl kommt die Studie zum Schluss, dass keines der Zertifizierungsprogramme eine Verlangsamung der Entwaldung, der Trockenlegung von Feuchtgebieten oder des Rückgangs der Artenvielfalt bewirkt hätte. Auch das Label RSPO bezeichnet Greenpeace als Etikettenschwindel. Die RSPO-Standards seien nicht streng genug, würden Lücken aufweisen und seien von der Industrie dominiert. «Auch die Grossverteiler Migros und Coop, die bei RSPO Mitglied sind, haben es bis heute nicht geschafft, aus dem Minimalstandard RSPO ein robusteres Label zu machen, welchem die Konsumenten vertrauen können», so Yves Zenger gegenüber dem Klein Report. Auf Palmöl solle man als Konsumentin oder Konsument besser verzichten.

Die Studie untersuchte auch Labels aus dem Bereich Textilien. Das Gutachten fand heraus, dass es trotz der zahlreichen Zertifizierungsinitiativen kein übergeordnetes Programm gibt, das sich über die gesamte Lieferkette hinweg mit Fragen der Nachhaltigkeit befasst. Hinzu komme, dass einige der am weitesten verbreiteten Programme an einem akuten Mangel an Transparenz leiden würden.

Die Studie von Changing Markets fordert, dass die schlechtesten Zertifizierungen der drei untersuchten Sektoren abgeschafft werden sollten. Die Zertifizierungsprogramme sollten das Ziel haben, den gesamten Lebenszyklus des Produkts abzudecken. Eckpfeiler der geforderten Reform sollten Transparenz, Unabhängigkeit, ein ganzheitlich ausgerichteter Ansatz mit hoher Rückverfolgbarkeit sowie ein ständiges Streben nach Verbesserung sein.