Eine grosse Recherche von WDR, NDR und «Süddeutscher Zeitung» (SZ) hat im Juli gezeigt, dass zweifelhafte «Journals» aus Raubverlagen das gängige Wissenschaftssystem von Peer Reviews, Evaluation und Publikation unterwandert haben.
Weltweit hätten über 40`000 Forscherinnen und Forscher in Raubjournalen publiziert. Die Zahl derartiger Veröffentlichungen hat sich laut einem Bericht in der SZ vom 19. Juli in den letzten fünf Jahren verdreifacht, in Deutschland verfünffacht.
Für den Klein Report diskutiert die Politologin Dr. phil. Regula Stämpfli die Folgen dieser Recherchen für Wissenschaft, Politik und Medien.
Geben Sie «Fake Science» auf einem x-beliebigen Browser ein: Bei Google ergibt dies zurzeit sage und schreibe 584 Millionen Hits. «Real Science» ergibt über zwei Milliarden Hits, wovon unter den ersten Einträgen sehr prominent zahlreiche Verschwörungstheorien vertreten sind.
«Wissenschaftliche Wissenschaft» ergibt über 54 Millionen Ergebnisse, davon die ersten für Wikipedia, dann immerhin endlich die Homepage der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG zur «Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis».
Im Unterschied zu «Fake Science» ist es also gar nicht so einfach, «echte Wissenschaft» im Netz zu finden. So ist es kein Wunder, dass selbst aufgeklärte Bürger und Bürgerinnen, je länger je mehr geneigt sind, bei Formulierungen wie «der Autor ist Wissenschaftler» oder «wie eine Studie belegt» oft nur noch die Augenbrauen hochzuziehen und zu einer anderen Publikation zu greifen.
Journalisten lassen den Doktortitel eines Experten eh seit Jahren weg - meist hat der Fernsehexperte auch keinen solchen aufzuweisen. Schliesslich zählen am Bildschirm andere Qualitäten als der Nachweis wissenschaftlicher Tätigkeiten.
Seit Stewardessen die wichtigsten Polit-Talks moderieren und Politikerinnen zu Auftritten bei «Glanz&Gloria» gezwungen sind, schauen generell Argumente, Wirklichkeit, Kompetenz sprichwörtlich in die Röhre. Wenig ist noch so, wie es scheint.
Unter #FakeScience versuchten die Kollegen bei NDR, WDR und der «Süddeutschen», den Skandal rund um Raubverlage zu verbreiten, und wollten im Grunde die echten Wissenschaften stützen. Mit dem Begriff und Hashtag #FakeScience schütteten sie jedoch das Kind mit dem Bade aus. Die wichtigen Recherchen rund um wertlose Forschung in Raubverlagen mit einem generellen Vorwurf «Fake» zu verbinden, stellt alle wissenschaftliche Tätigkeit unter Verdacht.
Dies ist nicht nur schade, sondern schadet allen öffentlichen Institutionen, Wissenschaftlern und der internationalen Forschung. Denn die echte Geschichte hinter «Fake Science» steckt in der politischen Machtverteilung innerhalb eines ziemlich korrupten anglo-amerikanischen Journal-Systems und einer globalen Hegemonie, das alle Forschenden zu «publish or perish» (veröffentliche oder gehe unter) zwingt.
Seit der Bologna-Reform 1999 beschränkt auch Europa Langzeitforschungen sowie freie und offene Wissenschaften, was den Universitäten, nationalen und internationalen Forschungsinstitutionen seit Jahren bürokratisch perfekte, wissenschaftlich banale, langweilige und uninspirierte Professorinnen und Professoren beschert.
Statt #FakeScience wäre #NeoliberalScience oder #MoneyScience präziser gewesen. Selbst #MediaScience hätte der Aufklärung weit mehr gedient, als alle Wissenschaften und Forschende unter Fake-Verdacht zu stellen. Doch dann hätten die Journalisten ihre Mittäterschaft innerhalb eines Systems, das meist der Prominenz statt der Kompetenz huldigt, zugeben müssen.