Das Gutachten des UN-Menschenrechtsrates für die Freilassung von Julian Assange wurde in den Medien zerpflückt und lächerlich gemacht. Anlass für Medienexpertin Dr. Regula Stämpfli im Klein Report über den Filz zwischen Medien und Justizbehörden nachzudenken.
Sogar «The Guardian», normalerweise ein Wikileaks-Verbündeter, verurteilte den UN-Menschenrechtsrat als «akademisches Grüppchen ohne juristisches Wissen». Liora Lazarus, die eine Assistenzprofessur für Recht an der Universität Oxford innehält, widersprach im britischen «Verfassungsblog» vehement. Sie weist nach, dass Assange alle Kriterien der «willkürlichen Haft» erfülle. Gleichzeitig führt sie unzählige schwedische, britische und internationale Staatsrechtler auf, die den schwedischen und britischen Justizbehörden «Unverhältnismässigkeit», «Unrechtmässigkeit» und «Grundrechtsverletzungen» nachweisen.
Doch solange die europäischen und britischen Medien dies nicht aufnehmen, zeigt sich die schwedische Staatsanwaltschaft aller Kritik gegenüber unberührt.
Der Fall Assange weist punkto Berichterstattung und internationale Rechtslage deshalb beklemmende Charakteristika auf: Völkerrechtliche und staatsrechtliche Regelsysteme werden durch die mediale Berichterstattung ausser Kraft gesetzt. Die fehlende Unterscheidung zwischen Person und Rechtsakt führt dazu, dass die Grundsätze «in dubio pro reo», also im Zweifel für den Angeklagten, und «unschuldig bis zum Beweis des Gegenteils» ausgehebelt werden.
Die Justizbehörden Europas und der Schweiz schwächeln punkto Staats- und Völkerrecht seit Jahren. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass auch die internationale Rechtslehre stark vom Privatrecht statt dem öffentlichen Recht dominiert wird.
Dieser Mix von öffentlicher Meinung, staatlichen Interessen, die privat durchgesetzt werden, Umfragedemokratie, publizistisch inszenierte Expertokratie und Mediendruck zersetzt viele Prinzipien, die konstitutiv für den Rechtsstaat sind - dies gilt übrigens auch für das laufende Verfahren der Schweiz gegen die Fifa.
So dominieren Politik und Medien das Recht, statt dass das Recht seine Pfeilerfunktion für die demokratische Gewaltenteilung wahrnehmen kann.
Tweets, Posts, Wähleranteile, Zeitungsberichte setzen kein Recht. Höchste Zeit, dies sowohl den Medien als auch den diversen Justizbehörden in Erinnerung zu rufen. Gleichzeitig gilt: Medienberichte sind nicht als Werbeplattformen der eigenen Justizbehörde gedacht, oder?