In der Affäre um den Zuger CVP-Regierungsrat Beat Villiger wird ein neues Kapitel aufgeschlagen. Nun ermittelt die Luzerner Staatsanwaltschaft wegen möglicher Amtsgeheimnisverletzung gegen Unbekannt. Es geht um die Frage, wer der «Republik» Akten aus dem Verfahren gesteckt hat.
Das Online-Magazin berichtete am 1. Oktober, dass die Justizbehörden wegen zweier Vorfälle gegen den Zuger Sicherheits- und Justizdirektor Beat Villiger ermittelten. Im Zentrum stand ein mögliches Verkehrsdelikt: Der Politiker habe sein Auto gleich zweimal einer ihm bekannten Person zur Verfügung gestellt, die aber keinen Führerausweis besitzt habe.
Das Delikt ist nicht harmlos und wird in der Schweiz gleich bestraft, wie wenn jemand selber ohne gültigen Führerausweis auf die Strasse geht. Es drohen deshalb bis zu drei Jahre Gefängnis oder einer Geldstrafe. Dafür wird allerdings vorausgesetzt, dass Villiger im vorliegenden Fall wusste oder bei gebotener Vorsicht hätte wissen müssen, dass die andere Person keinen gültigen Führerausweis hatte.
Die Sache geriet in der Folge langsam aus der Bahn, denn ein weiterer Vorfall, in den der CVP-Politiker verwickelt sein soll, liegt bei der «Republik» noch auf dem Tisch: Doch über diesen dritten Vorwurf dürfe das Magazin «nicht oder nur sehr eingeschränkt berichten», wie die Journalisten publik machten – Grund dafür sei eine superprovisorische Verfügung, die Villiger vor dem Bezirksgericht Zürich erwirkt hatte.
In allen drei genannten Fällen hat die Staatsanwaltschaft ihre Untersuchungen eingestellt. Sie sieht also keinen hinreichenden Tatverdacht für ein gerichtliches Verfahren gegen Beat Villiger. Genau das bezweifelt wiederum die «Republik»: Denn in den vorliegenden Fällen würden zahlreiche Widersprüche vorliegen. Villiger selber habe keine schlüssigen Erklärungen liefern können, schreibt das Magazin und mahnt deshalb: «Staatsanwälte sollen abwägen und am Ende einer Untersuchung die Beurteilung eher einem Gericht überlassen, statt sie eigenhändig einzustellen.»
Dafür ermittelt die Luzerner Staatsanwaltschaft seit dem 10. Oktober gegen Unbekannt. Nun geht es nicht mehr um ein Verkehrsdelikt, sondern um eine strafbare Handlung gegen die Amtspflicht: Amtsgeheimnisverletzung im Sinne von Artikel 320 des Strafgesetzbuches. Das Schweizer Recht sieht auch hierfür eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vor.
Der inzwischen wiedergewählte Regierungsrat Beat Villiger äusserte sich zu den neuen Ermittlungen gegenüber dem Onlinenachrichtenportal zentralplus.ch. «Jemand hat Akten der Untersuchung den Medien zugestellt», sagt Villiger und versichert: «In welcher Amtsstelle diese Amtsgeheimnisverletzung gemacht worden ist, ist mir nicht bekannt.»
Laut Mediensprecher der Luzerner Staatsanwaltschaft stünden nun die Luzerner und Zuger Behörden im Fokus, also unter anderem auch Mitglieder der Luzerner Staatsanwaltschaft selber, daneben die Polizei und die Strassenverkehrsämter beider Kantone.
Für den «Republik»-Journalisten Carlos Hanimann, der in der Villiger-Affäre recherchierte und zusammen mit Kollege Michael Rüegg den Artikel vom 1. Oktober publizierte, sind die neuen Ermittlungen der Luzerner Behörden eine Farce. «Die Luzerner Staatsanwaltschaft macht sich lächerlich», so Hanimann am Dienstag über Twitter. «Statt die eigenen Versäumnisse aufzuarbeiten, ermittelt sie jetzt wegen Amtsgeheimnisverletzung.»
Hanimann ist überzeugt, dass er «lediglich einen öffentlichen Entscheid im ´Republik`-Magazin öffentlich gemacht habe». Ganz entgegen der Aussagen von Beat Villiger sei ihm sehr wohl bekannt, wer «dem Journalisten», also Carlos Hanimann selber, die Dokumente zugesteckt hatte: «Die Akten kamen nicht von einer Amtsstelle, sondern von Beat Villiger persönlich (beziehungsweise vom Bezirksgericht Zürich als Anhang zur superprovisorischen Verfügung)», schreibt Hanimann.