Content:

Montag
07.10.2002

Der Bertelsmann Verlag hat während der Nazi-Zeit «indirekt jüdische Zwangsarbeiter beschäftigt». Zu diesem Ergebnis kommt eine unabhängige historische Kommission zur Erforschung der Bertelsmann-Geschichte 1933-45. In mehreren Druckereien im litauischen Wilna, die für Bertelsmann arbeiteten, seien zwischen 1941 und 1943 Juden aus dem örtlichen Ghetto eingesetzt worden, heisst es im Abschlussbericht der Kommission, der am Montag in München vorgestellt wurde. In Gütersloh waren einige niederländische «Zivilarbeiter» beschäftigt. Die Kommission betonte, dass auf Grund der schlechten Quellenlage nicht geklärt werden könne, ob «Bertelsmann irgendeinen Einfluss auf die Arbeitsbedingungen in diesen Druckereien hatte und ob die Auftragsverlagerung ins Baltikum wegen des dortigen Einsatzes billiger (jüdischer) Zwangsarbeiter womöglich Kosten sparte».

Der Bertelsmann Verlag war nach Erkenntnissen der Experten in der Nazi-Zeit der grösste Buchproduzent für die Wehrmacht. Der Verlag haben «keine Distanz gegenüber dem Nationalsozialismus» gewahrt, urteilen die Historiker. «Die Legende, Bertelsmann sei als Widerstandsverlag geschlossen worden», könne nicht aufrechterhalten werden. Vielmehr habe 1944 ein Gerichtsverfahren wegen illegaler Beschaffung von Papier zu der Schliessung des Unternehmens beigetragen.

Die Kommission wurde präsidiert vom Historiker Saul Friedländer, der auch der schweizerischen Bergier-Kommission angehört hatte. Ein Sprecher der Bertelsmann AG sagte, man akzeptiere den Bericht der unabhängigen Kommission «als Ganzes». Er wies darauf hin, dass der Verlag dem Entschädigungsfonds für ehemalige Zwangsarbeiter beigetreten sei, «unabhängig von der eigenen Unternehmensgeschichte».