Immer schärfer werden die USA und Grossbritannien für ihre Kampagne im Vorfeld des Irak-Kriegs kritisiert. Auch die Rolle der Medien wird hinterfragt. Vorab US-Medien hätten geholfen, das Terrain für den Krieg vorzubereiten, sagt François Heinderyckx. Der Medienprofessor an der Freien Universität Brüssel ist der Ansicht, dass die Bush-Administration den Medien bei der Planung des Waffengangs eine Schlüsselrolle zuwies, wie er in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur sda sagte.
Die Medienkampagne sollte den Angriff auf Irak als «Antwort der USA auf den 11. September 2001» darstellen, dieses «Hyper-Medienereignis», das die Verletzlichkeit der Supermacht zur Schau gestellt habe. Dieselbe Strategie habe die US-Regierung bereits beim Krieg in Afghanistan angewandt, sagte Heinderyckx. So habe man Bilder von bombardierten El-Kaida-Lagern veröffentlicht, obschon die Bewohner dieser Camps schon lange vor den Bombardements verschwunden seien. Im Fall Iraks habe es eine genaue, bewusste Planung gegeben, um sich die militärische Intervention von den Medien rechtfertigen zu lassen. Vor allem die Medien in den USA und Grossbritannien seien davon nach und nach erfasst worden. So habe die Regierung von Tony Blair schon im Februar Spezialtruppen am Flughafen Heathrow aufmarschieren lassen und auf eine unmittelbare terroristische Bedrohung hingewiesen. Diese Aktion sei zumindest zum Teil für die Medien inszeniert worden und habe den Leuten ein Gefühl der Unsicherheit vermittelt. Einen grossen medialen Auftritt hatte auch US-Aussenminister Colin Powell gehabt, als er sich vor dem UNO-Sicherheitsrat zur angeblichen Bedrohung durch irakische Massenvernichtungswaffen geäussert hatte.
In den letzten Wochen vor dem Krieg hätten die Amerikaner dann jede Gelegenheit genutzt, die Welt über ihre militärische Überlegenheit ins Bild zu setzen. Zur Vermittlung dieser Informationen hätten auch die europäischen Medien eine Relais-Funktion wahrgenommen, sagte Heinderyckx. Als gewiefter Schachzug erwies sich für die USA sodann die «Einbettung» von Journalisten in Krieg führende Truppen. Das habe die patriotische Stimmung verstärkt und mitgeholfen, die Einwände der Demokraten in der Heimat zum Verstummen zu bringen.
Anderseits waren die grossen US-Zeitungen laut Heinderyckx auch beeinflusst von Meinungsumfragen, wonach ein Grossteil der Bevölkerung hinter Kriegsherr George W. Bush stand. Hinzu kommen für Heinderyckx mögliche Formen der Selbstzensur. Diese ergäben sich zum Beispiel, wenn sich NBC als grösste Kabelnetzbetreiberin der USA in Besitz von General Electric befinde, eines Lieferanten von militärischem Material für die US-Truppen. Kritische Stimmen zum Krieg seien im besten Fall in eher elitären Medien zu Wort gekommen, zum Beispiel in der «New York Times» oder auf CNN. Anders sei die Lage in Europa. In Ländern, die nicht zur Kriegskoalition gehörten, hätten sich die Medien ein wenig von der US-Propaganda distanziert.
Anders als im ersten Golfkrieg zu Beginn der 90er Jahre hätten sich die Journalisten diesmal um eine breitere Quellenlage bemüht, den arabischen Blickwinkel einbezogen und unabhängige Experten zu Wort kommen lassen. Der wesentliche Fortschritt bei der Kriegsberichterstattung war aber für Heinderyckx, dass sich die europäischen Medienschaffenden ihrer Abhängigkeit von nicht-neutralen Quellen bewusst gewesen seien - und dies auch gegen aussen signalisiert hätten. Vergleiche dazu: Irak: Schweizer Medien versuchten kritisch zu bleiben
Freitag
04.07.2003