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Dienstag
04.08.2015

Medien / Publizistik

Kennt die Fifa von innen: Guido Tognoni

Kennt die Fifa von innen: Guido Tognoni

Ex-Fifa-Kommunikations-Direktor Guido Tognoni exklusiv im Klein Report über die Blatter-Nachfolge, den Fifa-Standort Schweiz und die Kommunikation bei der Fifa.

Klein Report: Guido Tognoni, sobald etwas in der Fifa läuft, sind Sie bei den Medien ein gefragter Interview-Partner.

Guido Tognoni: «Es gibt offenbar fast niemand, der über die Fifa Bescheid weiss und darüber auch reden will. Bei mir kommt dazu, dass ich dreieinhalb Jahre in Doha gelebt habe und nach der WM-Vergabe an Katar somit sowohl die Fifa als auch die handelnden Akteure in Katar kenne. Das hat mir plötzlich einen Expertenstatus eingebracht. Als ehemaliger Journalist sage ich nicht gerne nein, wenn mich aktuelle Journalisten um eine Meinung fragen.»

Klein Report: Und wie geht es mit der Fifa und Katar weiter?

Tognoni: «Nehmen wir zuerst Katar: Was immer noch zutage treten sollte, Katar lässt sich die WM genau so wenig wegnehmen wie Wladimir Putin die Krim. Die Fifa kann nicht fünf oder sechs Jahre nach der Vergabe diese Abstimmung rückgängig machen. Wenn sie das täte, würde das aus meiner Sicht Schadenersatzforderungen nach sich ziehen, welche die Existenz der Fifa in Frage stellen würden, ganz abgesehen von den unwägbaren politischen Konsequenzen. Was die Fifa betrifft: Sie steht heute an einem Scheideweg. Will sie weiterhin im bisherigen Stil weiterfahren und als korruptes Unternehmen gelten, oder soll eine neue Fifa entstehen? Spätestens, seitdem die Fifa die amerikanische Justiz am Hals hat, ist diese Frage von selbst beantwortet.»

Klein Report: Und wer soll die Fifa reformieren - kann das noch Sepp Blatter?

Guido Tognoni: «Sepp Blatter hat diese Chance längst vergeben. Im Endspurt seiner Amtszeit kann er die grossen Weichenstellungen vielleicht noch ankündigen, aber nicht mehr realisieren. Man kann einen Supertanker wie die Fifa nicht nach Jahrzehnten in ein paar Wochen aus dem Schlamm ziehen. Zudem müssen grosse Widerstände überwunden werden. Wir dürfen nicht vergessen: Die meisten Verbände sind mit der Fifa glücklich, sie interessiert es nicht, ob deren Ruf gut oder schlecht ist, so lange die Fifa das Geld fliessen lässt und Privilegien verteilen kann. Man muss nun sehen, wer neuer Präsident wird und was er nicht nur ankündigen, sondern auch umsetzen wird.»

Klein Report: Der neue Präsident heisst wohl Michel Platini.

Tognoni: «Das kann man noch nicht sagen, die Wahl findet erst im Februar statt, und man weiss noch gar nicht, wer alles antreten wird. Michel Platini hat nun einmal seinen Anspruch markiert, aber alleine, das heisst ohne Zuträger von Stimmen aus Asien und Afrika, kann er die Wahl nicht schaffen, ausser er bleibt der einzige nennenswerte Kandidat. Ich wäre froh, wenn der nächste Fifa-Präsident wieder aus Europa kommen würde, auch wenn diese Auffassung politisch nicht korrekt ist.»

Klein Report: Wer wird denn noch antreten?

Tognoni: «Lassen wir mal die Folklore-Kandidaten wie Maradona oder Zico beiseite. Es sieht nach einer Kandidatur des Koreaner Chung Mong-Joon aus, dazu vielleicht  Ahmed Al-Sabah, ein einflussreicher Scheich aus Kuwait. Der Franzose Jérôme Champagne, einst von Sepp Blatter entlassen, wäre fachlich klar der Beste, aber er wird zu wenig Rückhalt in den Verbänden erhalten. Die Meldefrist endet erst im Oktober, vielleicht gibt es noch Ueberraschungen.

Klein Report: Wird die Fifa in Zürich bleiben?

Guido Tognoni: «Diese Frage ist allmählich abgedroschen. Weshalb sollte die Fifa wegziehen? Soll sie nach Kabul oder auf die Färöer-Inseln...?»

Klein Report: ...Sie könnte nach Paris oder nach Singapur.

Tognoni: «Die Fifa hat es nirgends besser als in Zürich. Allein schon die Flugverbindungen sind die besten, der Sitz am Zürichberg liegt 15 Minuten vom Flughafen Kloten entfernt, dazu kommen die vorzügliche Lebensqualität und die guten Beziehungen zu den Behörden. Im Übrigen hat die Fifa für die nächsten Jahre wirklich andere Probleme zu lösen als über den Standort nachzudenken.»

Klein Report: Zurück zu den Medien: Was sagen Sie zum Rücktritt von Kommunikationschef Walter de Gregorio?

Guido Tognoni: «Ich denke, die Stimmung zwischen Sepp Blatter und Walter de Gregorio war schon einige Zeit nicht die beste.  Ein Medienchef ist in einem virulenten Betrieb wie der Fifa immer exponiert. Walter hat die Fifa nach aussen gut vertreten, da muss man nicht über einzelne Sätzlein diskutieren. Intern hat er die Medienabteilung sehr verteuert, aber Geld spielt bei der Fifa bekanntlich keine Rolle. Zuletzt fehlte offensichtlich die Vertrauensbasis zum Präsidenten. Wenn ein Medienchef von Dritten, die bei Sepp Blatter ein- und ausgehen, öffentlich kritisiert wird, stimmt etwas intern nicht mehr.»

Klein Report: Sie denken an Klaus Stöhlker?

Tognoni: «PR-Experte Klaus Stöhlker wurde meines Wissens von Sepp Blatter als Privatberater engagiert, ohne dass de Gregorio konsultiert worden ist. So etwas geht natürlich nicht. Und Stöhlker kann die Anforderungen an den Medienchef in einer monumentalen Krise der Fifa nicht abschätzen. De Gregorio musste sich in der turbulentesten Phase der Fifa-Geschichte vor eine erwartungsfrohe Medienmeute hinstellen und eine Position verteidigen, die nicht zu verteidigen war. Nach den Verhaftungen von Funktionären sagen, 'das ist ein guter Tag für die Fifa', ist schon eine sehr kühne Kommunikation.»

Klein Report: Und dann machte er im Fernsehen noch Witze über die Fifa...

Tognoni: «Die Talk-Show bei Roger Schawinski war vielleicht ein Auftritt zu viel, da ging es nicht mehr nur um den Witz. Sepp Blatter schätzt es überhaupt nicht, wenn andere als er selbst in der Öffentlichkeit mehr als unbedingt notwendig sichtbar sind, das musste schon De Gregorios Vorgänger Markus Siegler erfahren. Denn: Sepp Blatter mag es gar nicht, wenn sich seine Mitarbeiter ins Rampenlicht stellen. Das hat wohl die Kommunikations-Direktoren Walter De Gregorio und Markus Siegler ihren Job gekostet.»

Klein Report: Wie lange wird man Sie noch hören und sehen?

Guido Tognoni: «Wenn Walter de Gregorio seine Frist, in der er noch von der Fifa bezahlt wird, abgesessen hat, kann er meine Nachfolge antreten! Ich denke, mit dem Abgang von Sepp Blatter im kommenden Februar erfolgt in der Fifa eine grosse Zäsur. Daran sollte ich mich wohl auch beteiligen.»