Erst am 11. Juli ist Alfonso Pantisano in Berlin zum ersten Queerbeauftragten der Stadt ernannt worden. Und schon ist er im Zwist mit Julian Reichelt.
Alfonso Pantisano habe Strafanzeige gegen Julian Reichelt und andere erstattet, schreibt die «Berliner Zeitung» am Sonntag. Begründet wird die Anklage, weil der frühere «Bild»-Chefredaktor vor Kurzem in einem Tweet öffentlich das Hissen der Regenbogenflagge vor dem Berliner Polizeigebäude kritisiert hat.
Reichelt hat das Hissen der Regenbogenflagge vor dem Berliner Polizeipräsidium als «Solidarität» für eine «totalitäre Ideologie» abgelehnt. «Jeder vernünftige Mensch in diesem Land würde sich wünschen, dass vor der Polizei und vor den düstersten Fassaden unserer Geschichte nie wieder die Flaggen einer politischen Bewegung gehisst würden», twitterte Reichelt.
Das führte im Netz zu einem grossen Shitstorm. Die Community hat Reichelt widersprochen mit Hinweisen auf die Verfolgung der Homosexuellen in der NS-Zeit und auf die Wichtigkeit der Menschenrechte.
Aus der Sicht des neuen Queerbeauftragten hat Julian Reichelt mit seinem Kommentar zum Hissen der Regenbogenfahne vor dem Berliner Polizeipräsidium «den Straftatbestand der Volksverhetzung» erfüllt. Gleichzeitig mit Reichelt hat Pantisano auch die ehemalige «Bild»-Kolumnistin Judith Sevinç Basad sowie die mit Reichelt verbundenen Medienunternehmen Vius SE & Co KGaA und Vius Management SE ins Visir der Justiz genommen. Angezeigt wurden auch die geschäftsführenden Direktoren Christian Opitz und Christian Storch von Reichelts Medienunternehmen.
Aufgestossen ist dem Queerbeauftragten eine vor sieben Tagen veröffentlichte Videodokumentation mit dem Namen «Trans ist Trend: Wie eine Ideologie unser Land verändert». Darin werden nach der Einschätzung von Pantisano «unzählige volksverhetzende Falsch- und Desinformationen» über die queere Community verbreitet, vor allem über Transmänner und Transfrauen.
Der 48-jährige Alfonso Pantisano wurde vom Berliner Senat zur «Ansprechperson für Queeres» ernannt. Er soll in der Politik die Anliegen der queeren Communities in Berlin vertreten. Er ist 2017 der SPD beigetreten und arbeitete früher als persönlicher Referent für Parteichefin Saskia Esken. Davor war er persönlicher Referent von Berlins Innensenatorin Iris Spranger.
Bei seinem Antritt in der vergangenen Woche meinte er in einem Interview mit der dpa: «Mein Ziel ist, durch meine Arbeit meine Arbeit abzuschaffen.» Er wolle seine Stimme Teilen der queeren Community leihen, die wenig sichtbar und hörbar sind.
Pantisano ist sich bewusst, dass er mit seinem Job immer wieder in der Kritik stehen werde. Aber: «Ich habe mich mit Wolfgang Thierse, Alice Schwarzer, Gesine Schwan, Sahra Wagenknecht und mit all den anderen angelegt. Die Liste ist lang. Ich habe mit meinen eigenen Eltern gestritten. Das werde ich mit allen anderen auch tun, wenn es notwendig ist, um das zu verteidigen, was wichtig ist: meine Würde und die Würde meiner Community.»