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Montag
30.05.2022

Medien / Publizistik

«Die Pandemie wirkte wie ein Brandbeschleuniger bestehender Probleme»: Viele Freie gerieten durch Corona vom Regen in die Traufe. (Bild Screenshot OBS-Studie)

«Die Pandemie wirkte wie ein Brandbeschleuniger bestehender Probleme»: Viele Freie gerieten durch Corona vom Regen in die Traufe. (Bild Screenshot OBS-Studie)

Wie viele andere Branchen auch hat die Coronapandemie die Medienwelt zum Teil hart getroffen. Die Rechnung für die Saure-Gurken-Zeit zu berappen hatten vor allem die freien Journalisten und Journalistinnen, wie aus einer neuen Studie hervorgeht. 

Das Gesamtbild ist disparat: Bei ARD, ZDF und Co. konnten die Freien meist weiterbeschäftigt werden – in Einzelfällen hätten die Corona-Massnahmen sogar zu einem höheren Personalbedarf geführt, sodass einige Freie mehr verdienten als noch vor Ausbruch der Pandemie, wie aus einer von der gewerkschaftsnahen Otto Brenner Stiftung publizierten Studie hervorgeht.

Anders das Bild auf der lokalen Ebene, wo die Tageszeitungen den Löwenanteil leisten. Weil Kultur, Sport oder Gemeindeversammlungen über lange Strecken ins Wasser fielen, gab es auch viel weniger zu berichten. Viele Freie hatten keine Aufträge mehr.

Schon vor Corona hatten vor allem die nebenberuflichen Freien bereits mit sehr niedrigen Honoraren zu kämpfen. «Häufig wird die Arbeit freier Journalistinnen und Journalisten bei Tageszeitungen und im Lokaljournalismus nicht einmal auf Mindestlohn-Niveau vergütet», kommentiert Studienautor Gerhard Syben vom Forschungsinstitut BAQ Bremen die Studienergebnisse. «Hier wirkte die Pandemie wie ein Brandbeschleuniger bestehender Probleme.» 

So hätten sich im Zuge der Krise die Ambitionen vieler Freier verstärkt, dem Journalismus ganz den Rücken zu kehren oder zunehmend auf andere Jobangebote, beispielsweise aus den Public Relations, zurückzugreifen. Die Studie zeigt aber auch, dass es parallel auch aufseiten der Redaktionen Überlegungen gibt, zukünftig auf den Einsatz nebenberuflicher Jouranlisten zu verzichten. 

«Beide Entwicklungen zusammen könnten dazu führen, dass ein Grossteil der lokalen Berichterstattung aufgegeben werden muss», warnt Mitautorin Barbara Witte von der Hochschule Bremen in dem Bericht, der mit «Erosion der Öffentlichkeit» betont alarmistisch überschrieben ist. 

Der demokratische Nahbereich der Bürger und Bürgerinnen wird demnach also besonders stark unter den Long-Covid-Folgen im deutschen Journalismus leiden. Und nicht gar so anders dürfte die Situation in der Schweiz sein.

Welchen Stellenwert der Journalismus für eine Gesellschaft wirklich habe, zeige sich insbesondere an seinen «Rändern», also bei freien Journalistinnen, heisst es im Vorwort der Studie. «Ein Marktversagen im Lokaljournalismus kann sich eine demokratische Öffentlichkeit nicht erlauben.»