In zwei ähnlich gelagerten Fällen hat sich der Schweizer Presserat mit der Frage befasst, in wie weit Jugendliche von den Medienschaffenden gewissermassen vor sich selbst zu schützen seien. Dabei ist das Aufsichtsgremium über die «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» zur Ansicht gekommen, gegenüber Minderjährigen gebe es eine «erhöhte Verantwortung». Auch an sich urteilsfähige Jugendliche seien «oft nicht in der Lage, die Tragweite von Medienberichten realistisch einzuschätzen», heisst es in den am Dienstag veröffentlichten Stellungnahmen. Hingegen hätten die beteiligten Journalisten aus ihrer Lebens- und Berufserfahrung heraus dies erfassen müssen.
Der Presserat hatte sich einerseits mit einer Umfrage unter 16-Jährigen in einer Regionalausgabe des «Tages-Anzeigers» zum Thema «Kampftrinken» und anderseits mit einem Versuch von Radio 24 zu befassen, ein 14-jähriges Mädchen telefonisch zu einem Vergewaltigungsfall in seiner Schule zu befragen. In beiden Fällen kommt der Presserat zum Schluss, Minderjährige in dieser Altersgruppe seien «in der Regel kognitiv weit genug entwickelt, eine Lebenssituation realistisch einzuschätzen und entsprechend zu handeln». Hingegen seien sie «oft nicht in der Lage, die Tragweite von Medienberichten realistisch einzuschätzen». Oft komme auch eine gewisse Lust an der Provokation (Thema «Kampftrinken») von Eltern und Vorgesetzten dazu. Konklusion: «Die Aufgabe des recherchierenden Journalisten hätte darin bestanden, Jugendliche, die ihm freimütig Auskunft gaben, von sich aus und auch ungefragt davor zu schützen, durch eine unnötige Identifikation mögliche Nachteile zu erfahren, die sie im Augenblick des Interviews abzuschätzen gar nicht in der Lage waren.»
Ein konkretes Beispiel dazu hat sich erst kürzlich im Kanton Zürich ergeben. Nach den gewalttätigen Ausschreitungen am 1. Mai hatte ein Jugendlicher an einem Lokalsender seiner verbalen Lust an Zerstörungen Ausdruck gegeben. Er erhielt darauf erhebliche Probleme an seinem Arbeitsplatz, der Verwaltung einer Vorortsgemeinde. Die Stellungnahmen im Wortlaut: http://www.presserat.ch/22920.htm und http://www.presserat.ch/22930.htm
Dienstag
29.05.2007




