«Jetzt mischen wir uns ein!», hiess es am Montag im «Blick». Auf der Titelseite stand in türkischen Lettern «Stimmt Nein zu Erdogans Diktatur!».
Der Aufruf an alle Türkinnen und Türken in der Schweiz ist laut «Blick» eine Reaktion auf die Auslandsoffensive von Erdogans Regierungspartei AKP vor der Abstimmung am 16. April in der Türkei über die Änderung der Verfassung.
Seit Wochen buhlen AKP-Minister und der Präsident selbst um die Ja-Stimmen der Landsleute im Ausland – mit provokanten Auftritten, sekundiert von Nazi-Vergleichen, wenn diese von ausländischen Behörden verboten werden. «Diktatur on Tour», so der «Blick».
Die mediale Provokation hat ihr Ziel erreicht. Denn zur besten Sendezeit zeigte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan im türkischen Fernsehen seinen Landsleuten die Titelseite von «Blick» mit der Schlagzeile aus der Schweiz.
Am Fernsehen zeigte sich Erdogan zwar noch gelassen. Doch der Herrscher vom Bosporus schäumt. Sein Aussenministerium verschickte wegen der «Blick»-Ausgabe eine offizielle Stellungnahme.
Darin wird der «Blick» aufs Schärfste verurteilt, die Zeitung sei «angefüllt mit beleidigenden Worten gegen unseren Staatspräsidenten», protokolliert das Boulevard-Blatt.
Der Aufruf aus der Schweiz macht natürlich auch in türkischen Medien Furore – bis hin zum Nazi-Vergleich: Die «AK Gazete» zeigt auf ihrem Portal das Schweizerkreuz und ein «Blick»-Logo mit Hakenkreuz – untermauert mit der Schlagzeile: «Kreuzzug gegen die Türkei!» Wenig verwunderlich: Die Zeitung gilt als sehr regierungsnah.
Auch «Sabah» berichtet in grossen Buchstaben: «Grenze überschritten!». Auffallend ist, dass die eher regierungskritischen Zeitungen der Türkei den Aufruf kaum zu kommentieren wagen: «Schweizer Zeitung `Blick` mit aufsehenerregender Schlagzeile», schreibt «Özcü» schön neutral.
Der türkische Staat belässt es nicht bei Worten, er verlangt von «Blick» Taten. «Unsere Erwartung ist, dass Schritte eingeleitet werden, die die Respektlosigkeit, die an unserem Staatspräsidenten verübt wurde, wiedergutmachen.»
Der Klein Report hat am Dienstag bei Christian Dorer, Chefredaktor der Blick-Gruppe, nachgehakt und wollte von ihm wissen, wie der «Blick» auf Erdogans Forderung reagieren will.
Christian Dorer: «Wir haben bei der türkischen Botschaft in Bern und beim Aussenministerium in Ankara um ein Interview gebeten. Gerne möchten wir einen Regierungsvertreter kritisch zu ihrer Sicht der Dinge befragen.»
Das Eidgenössische Departement des Äusseren (EDA) wolle sich nicht in den Disput zwischen Erdogan und «Blick» einmischen.
Hat Dorer mehr politische Unterstützung aus Bern erwartet? «Ich kann die Zurückhaltung des EDA in Sachen Türkei nachvollziehen, da unser Land gerne als neutraler Vermittler beigezogen wird. Im Übrigen teilt der `Blick’ in Kommentaren die Ansicht des Bundesrats: In der Schweiz gilt die freie Meinungsäusserung, also soll auch der türkische Aussenminister auftreten dürfen.»
Der türkische Präsident belässt es meist nicht an verbalen Unmutsbekundungen, siehe dazu die juristische Auseiandersetzung wegen des «Schmähgedichts» von Jan Böhmermann. Erwartet Ringier eine Strafanzeige von Erdogan? «Nein. Wir haben einen sachlichen Brief an die Türkinnen und Türken in der Schweiz formuliert. Da gibt es nichts, das juristisch relevant sein könnte», so Dorer abschliessend.