Dass der deutsche Botschafter Martin Erdmann zusammen mit den Diplomaten anderer Länder am Freitag am ersten Tag des «Cumhuriyet»-Prozesses auf den Zuschauerrängen sass, geht gar nicht für Recep Tayyip Erdogan. Der türkische Präsident schmetterte in einer TV-Rede am Samstag den ausländischen Diplomaten ein «Dies ist nicht Ihr Land!» entgegen.
Die «Zeit» sprach von einem «Wutausbruch», der den Regierungschef überkam. «Anstand und Umgangsformen» der Diplomatie seien nicht eingehalten worden, sagte Erdogan in seiner empörten Fernsehrede. Die Botschafter könnten in ihren Ländervertretungen aktiv werden, ansonsten brauche es eine Bewilligung.
Noch am ersten Prozesstag verlangte die Staatsanwaltschaft, die Öffentlichkeit von den Verhandlungen auszuschliessen, was die Richter bewilligten. Künftig wird der Prozess hinter verschlossenen Türen geführt, was die Unterstützer der Angeklagten empörte, die unter den etwa 200 Zuschauern im Gerichtssaal zahlreich vertreten waren.
Der erste Tag im Prozess um die beiden regierungskritischen Journalisten Can Dündar und Erdem Gül fand am Freitag im Justizpalast in Istanbul statt. Ihnen droht lebenslange Haft, die Behörden werfen ihnen unter anderem Spionage und Verrat von Staatsgeheimnissen vor, weil sie über eine Waffenlieferung des türkischen Geheimdienstes an Islamisten berichtet hatten.
Dündar leitet die Redaktion der Zeitung «Cumhuriet», Gül führt das Büro in der Hauptstadt. Der Prozess wird von zahreichen Organisationen wie auch vom Europarat als Schlag gegen die Pressefreiheit gewertet.