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Mittwoch
09.12.2020

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Der meistgelesene Roman der Welt. Laut Hellmuth Karasek allerdings ohne tragende Hauptfiguren....    (Bild: Ikea)

Der meistgelesene Roman der Welt. Laut Hellmuth Karasek allerdings ohne tragende Hauptfiguren.... (Bild: Ikea)

Im auflagenstärksten Jahr 2016 waren 200 Millionen Exemplare des Katalogs in 32 Sprachen in über 50 Ländern verteilt worden. Jetzt ist Schluss. Das Möbelhaus in Schweden hat bekannt gegeben, dass der Ikea-Katalog nach 70 Jahren eingestellt wird.

Der gedruckte Katalog sei immer weniger genutzt worden, teilte Ikea dazu mit. Der Medienkonsum wie auch das Kundenverhalten hätten sich mit der Digitalisierung gewandelt.

Das Unternehmen von Gründer Ingvar Kamprad will das Buch, dessen Verbreitung lästernde Zungen noch grösser als die weltweiten Auflagen der Bibel einschätzten, allerdings in Würde in den Himmel aufsteigen lassen. Zu Ehren des nicht mehr benötigten Marketing-Tools will Ikea im Herbst 2021 ein Buch herausbringen. Dieses soll «mit den grossartigsten Inspirationen und einer Menge Möbelwissen gefüllt sein». Das Werk soll in den Ikea-Filialen «zur Verfügung» gestellt werden.

Tatsächlich wäre das nicht die erste Adelung des Kataloges zum Buch. Der verstorbene Literaturkritiker Hellmuth Karasek nannte den Mega-Prospekt einst einen «möblierten Roman».

Mehrfach preisgekrönt wurde dem vorausgehend ein fünfminütiges Video von Wirz Werbung. In dieser Kampagne für die Schweiz hat Karasek den Katalog für das Jahr 2016 auf skurrile Weise wie ein Buch rezensiert. Über 100 Zeitungen aus dem In- und Ausland haben darüber berichtet. In der «Süddeutschen» wurde der Literatur-Papst dazu zitiert: «Man könnte dem Ikea-Buch vorwerfen, dass es mehr Bilder als Personen hat. Es erzählt viel, aber es ist sozusagen vollgemüllt mit Gegenständen.»

Im Netz sollen alle früheren Kataloge nun als ein gigantisches Möbellager weiterhin für nostalgisches Schmökern und Recherchieren abrufbar sein. Für das aktuelle Marketing wird es eine App geben. Nach einem Scheitern 2018 ist zwei Jahre später erstmals eine funktionierende digitale Version auf den Markt gekommen.

Die Netzversion habe 2020 schon mehr als vier Milliarden virtuelle Besucher verzeichnet. In den 380 Ikea-Möbelhäusern weltweit liessen sich im selben Zeitraum «bescheidene» 706 Millionen Besucher von den schwedischen Köttbullar mit Kartoffeln anlocken.