Content:

Samstag
12.12.2015

Medien / Publizistik

Otfried Jarren (r.) bei einer Anhörung

Otfried Jarren (r.) bei einer Anhörung

Die Eidgenössische Medienkommission (Emek) hat die Lage der elektronischen Medien in der Schweiz analysiert. Nun legt sie ein 34-seitiges Papier vor, das mehrheitlich Marktstudien der letzten Jahre zusammenfasst und sich um den Begriff Service-public-Medien dreht.

Das Papier trägt die Handschrift von Otfried Jarren von der Universität Zürich, der die wichtigsten regulatorischen Probleme der Schweiz bereits in der «Neuen Zürcher Zeitung» vorab in einem Interview mit dem Titel «Medienaufsicht muss unabhängiger werden» um den 21. November in der Print- und Online-Ausgabe dargelegt hat.

Der Publizistikprofessor, der selber gerne etwas im Rampenlicht steht, nimmt dort vorab auch zur geplanten Vermarktungsallianz von Swisscom, SRG und Ringier im Gespräch mit Rainer Stadler Stellung. Den Journalisten nahm man auch gerne mal zur Seite an den Emek-Hearings, was wiederum andere Emek-Mitglieder sehr störte. So sicherte sich Jarren etwas mediale Aufmerksamkeit, wobei er dann seltsamerweise gerade die Debattierunfreude anprangerte. Auch die Forschungsfirma Publicom, die im Auftrag des Bundesamts für Kommunikation (Bakom) Marktstudien erstellt, publiziert vorab gerne mal Studien über die «Neue Zürcher Zeitung».

Das sind Anmerkungen des unabhängigen Mediendienstes Klein Report. Neben dem verstärkt um sich greifenden Konzernjournalismus in Medienfragen sind das Auswüchse, die Journalistinnen und Journalisten zum dummen Claqueur am Strassenrand degradieren. Auch wenn die Eitelkeiten bersten, sollte man das nicht tun. Es sind ja gerade die Journalisten, die die Demokratie als Bindeglied in Schwung halten sollen. Ein Journalist mit einem Monatslohn von vielleicht 5000 bis 6000 Franken müsste sich da reinknien, hinterherrennen, seinen Verleger, seine SRG- oder SDA-Vorgesetzten anmahnen, anprangern? Fazit: So ein Journalist ist still und leise - aber schnell - weg vom Fenster.

Zurück zu Jarrens Feststellungen zur Vermarktungsallianz, bei der marktmächtige Akteure zusammengehen wollen. «Die Telekommunikation wird von der Comcom, der Rundfunk hingegen vom Bundesamt für Kommunikation reguliert.» Für die Marktfragen sei noch die Wettbewerbskommission zuständig. «Die stattfindende Konvergenz von Medien-, Telekommunikations- und IT-Branche muss integral von einer neuen, einer staatsunabhängigen Regulierungsbehörde beurteilt werden. Diese Institution fehlt», so Jarren, der auch Präsident der Emek ist.

Die Comcom sei aus seiner Sicht gut aufgestellt. «Das Bakom hingegen ist noch Teil der Verwaltung. Das ist auch jenseits der Konvergenzproblematik nicht optimal, auch nicht mit Blick auf die Beaufsichtigung der SRG wie der konzessionierten privaten Radio- und Fernsehunternehmen.» Staatsferne sei bei Medien, «selbstverständlich auch bei der SRG, ein wichtiges, ein hohes Gut», so Otfried Jarren, der sich für die von ihm vorgeschlagene staatsunabhängige Regulierungsbehörde gleich selber ins Spiel bringt, für ein «kleines Gremium von fachlich ausgewiesenen Persönlichkeiten des Typus Elder Statesman».

Gemeint ist ein (alt)erfahrener Staatsmann. Gemäss Duden ein «Politiker, der nach seinem Ausscheiden aus einem hohen Staatsamt weiterhin grosse Hochachtung geniesst». Anmerkung des Klein Reports: Alt und Internet sind doch eher diametral entgegengesetzte Positionen, speziell was das Tempo der technischen Entwicklungen angeht.

Das vorliegende Emek-Papier knüpft an den Bericht des Vorjahres an («Medienförderung: Standortbestimmung und Empfehlungen für die Zukunft» vom September 2014) und fokussiert auf Radio und Fernsehen und auf die Weiterentwicklung der Rundfunkmedien im Internet.

Das Papier ist gut zu lesen und sollte als Standardeinführung für Publizistikstudenten aufgelegt werden. «Die Emek geht auf die besondere Stellung der SRG ein, berücksichtigt aber auch die privaten Radio- und TV-Veranstalter mit Leistungsauftrag. Verschiedene Massnahmen betreffen die Führung und Aufsicht (Governance) und die Finanzierung dieser Medienangebote», wie die Kommission selber schreibt, die von einer grundsätzlich verschiedenen Ausrichtung der rein privaten Medien und der Medien mit öffentlichem Leistungsauftrag (Service public) ausgeht. Beide Leistungsbereiche - private und öffentliche Medien - seien unentbehrlich. «Daher hält die Emek eine staatlich organisierte Förderung von Radio- und Fernsehinhalten für notwendig und beurteilt das heutige System im Ganzen als tauglich.»

Die Eidgenössische Medienkommission, in der mehrheitlich Verbands- und Gewerkschaftsvertreter sowie direkt oder indirekt vom Staat bezuschusste Vertreter sitzen, sprechen sich «für eine vergleichbare Förderung von journalistischen Print- und Online-Medien aus». Status quo mit Ausdehnung zu den Online-Medien. Ein Neuanfang sähe anders aus, findet der Klein Report. Unabhängigkeit sieht anders aus. Denn Geld hat es genügend im Markt, es fliesst nur zu den wenigsten Claqueuren (Journalisten). In der Kommission sitzt beispielsweise auch kein einziger aktiver Journalist.

Ausgangspunkt der gesamten Überlegungen der Emek sei die Notwendigkeit qualitativ hochwertiger, vielfältiger und möglichst unabhängig produzierter und verbreiteter Medieninhalte. «Möglichst» unabhängig produzierte Inhalte, heisst es da kleinlaut.

Weshalb sollten nicht völlig unabhängig produzierte Inhalte möglich sein? Das Volumen des Schweizer Werbemarktes beläuft sich auf 7,3 Milliarden Franken pro Jahr. Der Nutzermarkt hat 2014 über Schweizer Haushalte allein 3 Milliarden Franken ausgegeben; 1,5 Milliarden Franken fielen hier auf Presseerzeugnisse.

Wo liegt das Problem, ein paar Journalisten zu finanzieren? Könnte es sein, dass sich hier alle anderen erst einmal gesund stossen, bevor man sich an die Arbeit macht?

Für die Medienkommission ist das Ziel die Sicherstellung einer staats- und demokratiepolitisch notwendigen publizistischen Leistung.

Da passt der kolossal gescheiterte Hanspeter Rohner, ehemaliger CEO und VR-Präsident der Inserate-Vermarkterin Publigroupe (Publicitas), und heute Vizepräsident der Emek, mässig gut ins Bild. Noch in den schlechtesten Zeiten der jahrelang schlingernden börsenkotierten Vermarkterin hat der Manager 1,2 Millionen Lohn pro Jahr abgezogen.

Am 1. April 2014 hat er die Publicitas an die deutsche Finanzgesellschaft Aurelius verkauft, die seither das Unternehmen reorganisiert hat und nicht einmal so schlecht managt. Die Publigroupe, in der weitere Vermarktungseinheiten gesammelt sind, ging an die staatliche Swisscom.

Der Bericht «Service-public-Medien in der Schweiz. Diskussionsbeiträge und Gestaltungsvorschläge».