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Mittwoch
26.07.2023

Medien / Publizistik

Miriam Suter ist feministische Autorin, Journalistin, Podcasterin und stellvertretende Chefredaktorin bei «elleXX». (Foto zVg / © Nadine Jayaraj)

Miriam Suter ist feministische Autorin, Journalistin, Podcasterin und stellvertretende Chefredaktorin bei «elleXX». (Foto zVg / © Nadine Jayaraj)

Fragt man Männer, ob ihnen die Frau auch im Haushalt und mit den Kindern hilft oder wie der Körperbau bei der Karriere geholfen hat, dann kratzt das schon einmal an Normen. 

Mit dem Format «Männerfragen» stellen Journalistinnen der Finanzplattform «elleXX» männlichen Persönlichkeiten Fragen, die in der Regel nur Frauen gestellt werden.

Für den Klein Report sprach Anka Refghi mit der stellvertretenden «elleXX»-Chefredaktorin Miriam Suter.

Miriam Suter, was ist die Intention des Formats «Männerfragen»?
Suter
: «In unserer Interviewreihe ‚Männerfragen‘ fragen wir Männer, was sonst nur Frauen gefragt werden. Wir möchten zum Dialog anregen und Stereotypen aufzeigen. Es geht uns darum, toxische Strukturen zu entlarven, allerdings mit einem Augenzwinkern. Das ist uns sehr wichtig.»

Sie erwähnen toxische Strukturen. Wieviel Macht liegt in Fragen respektive implizieren gewisse Fragen ein Machtgefälle?
Suter
: «Wenn ein Mann eine Frau in einflussreicher Position nach ihren Lieblingsblumen fragt, dann zeigt das definitiv ein Machtgefälle auf. Es macht deutlich, dass den Interviewer die berufliche Errungenschaft nicht interessiert, und er stattdesssen die Frau auf ihre gesellschaftliche Rolle des Niedlich- oder Schön-seins reduziert.»

Auch Journalistinnen stellen diese Art von sexistischen Fragen...
Miriam Suter: «Das ist richtig. Es spielt eine ganz grosse Rolle, wie wir als Journalistinnen sozialisiert werden, und meistens sind die Fragen noch nicht einmal böse gemeint. Durch die ‚Männerfragen‘ macht es bei vielen aber Klick».

Die Interviews führen ausschliesslich Journalistinnen – wie schwer fällt es, Männern diese Art von Fragen zu stellen?
Suter: «Das Format ist reizvoll, aber man muss sich tatsächlich in diese umgekehrte und ungewohnte Rolle hineingeben. Einige Fragen kosten Überwindung, aber genau das ist entlarvend und zeigt eben auch in aller Deutlichkeit, wie übergriffig sie sind.»

Wissen die Männer, auf was sie sich bei Ihrem Format einlassen?
Miriam Suter: «Ja, wir schicken jeweils die bereits veröffentlichten Interviews im Vorfeld zu. Es gab aber auch schon Fälle, bei denen sie den Clou nicht erkannt haben und davon ausgegangen sind, dass es sich um ein ‚normales‘ Interview handelt.»

Mit welchen Folgen? 
Suter: «Manche haben sich angegriffen gefühlt, aber auch ein Streitgespräch kann sehr interessant sein. In der Regel entstehen aber sehr schöne und auch tiefgründige Gespräche. Einige Protagonisten haben den berühmten Aha-Moment, wenn ihnen bewusst wird, wie sich solche Fragen anfühlen.»

Gab es auch Überraschungen im Laufe der Serie?
Miriam Suter: «Wir haben im Laufe unserer Interviewreihe tatsächlich festgestellt, dass viele Männer auch gerne über Kleider, Körper oder Privates sprechen.»

Wie steht es mit Absagen? Gibt es da die Angst vor dem Image-Verlust vor den anderen Alpha-Männchen, vor der Öffentlichkeit? Immerhin exponiert man sich auf ungewohnte Weise...
Suter: «Wir erhalten durchaus Absagen, aber das hat sicher verschiedene Gründe. Es ist aber auch in Ordnung, dass sich Männer mit dieser Thematik in ihrem eigenen Tempo auseinandersetzen oder noch nicht parat sind. Angst ist daher vielleicht das falsche Wort, aber ich glaube, man muss sich unseren ‚Männerfragen‘ stellen wollen.» 

Männerfragen kratzen an Normen. Wie wichtig ist das generell für «elleXX»?
Miriam Suter: «Das ist natürlich wichtig. Unser Slogan ist ‚Close the Gaps‘ und dazu gehört auch, unbequem zu sein oder auf Ungerechtigkeiten aufmerksam zu machen. Das ist eine Grundhaltung des Journalismus und wir verstehen uns als journalistische Finanzplattform für Frauen. Daneben möchten wir bestärkend sein und Finanzwissen vermitteln.»

«Close the Gaps» ist euer Slogan – wie viel Arbeit steht an?
Suter: «Sehr viel. Denken wir an den Gender Pay Gap, die Lücke bei der Altersvorsorge, aber auch beim Investieren, beim Erben, bei der Gesundheitsforschung. Es gibt diese Lücken in praktisch allen Lebensbereichen einer Frau. Die Arbeit geht uns in den nächsten Jahren also sicherlich nicht aus.»

Und zum Abschluss: Wo stehen wir mit der Interviewkultur in ein paar Jahren?
Miriam Suter: «#MediaToo war sicher ein sehr starker Katalysator. Ich habe das Gefühl, dass sich seit dem feministischen Streik, an dem die Medienfrauen seit 2019 regelmässig teilnehmen, viel getan hat. Offener und diverser zu werden, gefällt natürlich nicht allen, aber ich hoffe, dass wir in fünf Jahren über andere Sachen reden werden als heute.»