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Montag
12.07.2010

Seit Montagmittag, 11.30 Uhr, ist Filmregisseur Roman Polanski wieder ein freier Mann. Die Schweizer Behörden liefern ihn definitiv nicht an die USA aus. Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf begründete die Freilassung damit, dass die US-Behörden die Herausgabe eines wichtigen Protokolls verweigert hätten.

Besagtes Protokoll ist am 26. Januar erstellt worden, wie EJPD-Vorsteherin Widmer-Schlumpf an einer Medienkonferenz im Bundeshaus erklärte. Es handelt sich um die Einvernahme des Staatsanwaltes Roger Gunson, der in den Siebzigerjahren für den Fall zuständig gewesen war. Aus diesem Protokoll soll hervorgehen, dass der damals zuständige Richter an einer Sitzung vom 19. September 1977 gegenüber den Parteivertretern ausdrücklich zugesichert habe, die von Roman Polanski in einer psychiatrischen Abteilung eines kalifornischen Gefängnisses verbrachten 42 Tage Freiheitsentzug stellten die gesamte Freiheitsstrafe dar, die er zu verbüssen habe. Somit wären sowohl dem Verfahren, das dem US-Auslieferungsersuchen zugrunde gelegt wurde, als auch diesem Ersuchen selbst die Grundlage entzogen.

Zu diesen sich auf den Auslieferungsvertrag mit den USA stützenden Überlegungen kommen gemäss der Bundesrätin solche aus dem allgemeinen Völkerrecht beziehungsweise dem internationalen Ordre public. Danach seien völkerrechtliche Verträge nicht nur nach dem Wortlaut, sondern ihrem Sinn und Zweck gemäss zu interpretieren. Dieser Vertrauensschutz sei ein allgemeiner Grundsatz, der sich in ganz spezifischen Ausformungen sowohl im Völkerrecht als auch im schweizerischen Landesrecht finde, und zwar in Art. 9 der Bundesverfassung.

Schlumpf rief in Erinnerung, dass allgemein bekannt gewesen war, dass sich Roman Polanski seit seinem Hauskauf in Gstaad im Jahre 2006 regelmässig in der Schweiz aufhielt, die US-Behörden aber über Jahre darauf verzichtetet hatten, ein formelles Auslieferungsersuchen zu stellen. Auch sei es trotz Aufnahme Polanskis im Schweizer Fahndungsregister nie zu einer Kontrolle Polanskis durch die Schweizer Behörden gekommen. Diese Umstände hätten eine Vertrauensgrundlage begründet, ohne die sich Roman im September 2009 nie zur Reise ans Filmfestival von Zürich entschlossen hätte.

In Würdigung sämtlicher Aspekte dieses Falles - des mit Bezug auf die Sachverhaltsdarstellung nicht hinreichend bestimmten Auslieferungsersuchens und der sich aus dem Internationalen Ordre public für das staatliche Handeln ergebenden Grundsätze - sei das Auslieferungsersuchen abzulehnen.

Polanski war von den US-Behörden seit Ende 2005 wegen einer Sexualstraftat an einer Minderjährigen im Jahr 1977 international zur Verhaftung ausgeschrieben. Gestützt auf diesen internationalen Haftbefehl wurde Roman Polanski am 26. September 2009 bei seiner Einreise am Flughafen Zürich verhaftet und in provisorische Auslieferungshaft genommen. Am 22. Oktober 2009 reichten die US-Behörden das formelle Auslieferungsersuchen ein. Am 4. Dezember wurde Roman Polanski nach Hinterlegung einer Kaution von 4,5 Millionen Franken aus der Auslieferungshaft entlassen und in seinem Chalet in Gstaad unter Hausarrest mit Electronic Monitoring gestellt.