Die Journalisten der «Weltwoche» haben am Freitag die Einstellungsverfügung im Fall Roland Nef auf ihre Website www.weltwoche.ch gestellt. «Da wir das öffentliche Interesse in den Vordergrund stellen und die Akte ohnehin nicht geheim halten können, stellen wir die Einstellungsverfügung heute auf unsere Website», sagte «Weltwoche»-Redaktor Alex Baur am Freitag gegenüber dem Klein Report. «Wir haben nun zwei Jahre lang um dieses Dokument prozessiert, bis das Bundesgericht nach einer kafkaesken Odyssee - wir waren mit dem Fall bereits drei Mal am Bundesgericht - durch zahllose Instanzen uns nun Recht gegeben hat.»
Dabei habe das Bundesgericht genau so entschieden, wie es in einem Präzedenzfall am 2. April 2008 bereits entschieden hatte. Eine Einstellungsverfügung sei einem Urteil gleichzustellen und grundsätzlich öffentlich. «Auf dieses Bundesgerichtsurteil vom April 2008 hatte die `Weltwoche` ihren Antrag auf Herausgabe der Einstellungsverfügung gestellt», erklärt Baur, der seit Jahren im Fall des ehemaligen Armeechefs recherchiert. «Die Staatsanwaltschaft I stimmte der Herausgabe zu, diese wurde jedoch von der Oberstaatsanwaltschaft verhindert, welche die `Weltwoche` im Zusammenhang mit dem Fall Nef kritisiert hatte», so der Journalist.
Baur will nun wissen, weshalb sich die Zürcher Oberstaatsanwaltschaft zwei Jahre lang mit Händen und Füssen gegen die Herausgabe der Einstellungsverfügung im Fall Nef gesperrt hat. Nach einer ersten Durchsicht der Papiere stellt er fest: «Die Einstellungsverfügung gibt uns eine Antwort: Sie ist sehr dürftig, kaum begründet und erklärt uns eben gerade nicht, warum das Verfahren gegen Roland Nef eingestellt wurde. Sie erwähnt nicht einmal den Betrag, mit dem sich Nef seine Absolution von der Justiz erkaufte. Diese Tatsache passt zu einer Reihe von Unregelmässigkeiten, welche den Fall auszeichnen. Und es stellt sich umso dringender die Frage, ob Nef Protektion genoss - und wenn ja, wer ihm diese Protektion gewährte.»
Hier zielt der Journalist auf den sogenannten «Notter-Bericht». Im September 2008 behauptete die Zürcher Justizdirektion, eine Untersuchung über den Verlauf des Verfahrens im Fall Roland Nef hätte keinerlei Unregelmässigkeiten zu Tage gefördert, alles sei sauber gelaufen, die Einstellungsverfügung «differenziert» und ausführlich begründet.
Für Alex Baur ist klar: Die Oberstaatsanwaltschaft habe diese Untersuchungsfarce in eigener Sache selber geführt und nicht die Wahrheit gesagt. Die zuständige Staatsanwältin Judith Vogel behauptete in der Einstellungsverfügung in zwei Sätzen, es bestünde kein «öffentliches Interesse» an der Verfolgung von Nefs zahlreichen Delikten, ohne eine nähere Begründung anzugeben. Baur schrieb in der «Weltwoche» Anfang 2009 unter dem Titel «Amtliche Desinformation» darüber, dass die Polizei bereits Anfang November 2006, einen Monat nachdem seine ehemalige Lebenspartnerin Strafanzeige eingereicht hatte, gegen den späteren Armeechef eine Razzia plante. Baur: «Warum das Unterfangen in letzter Minute abgeblasen wurde - die Hausdurchsuchungs- und Haftbefehle lagen bereits vor - bleibt schleierhaft.»
Eine weitere Frage bleibt auch, weshalb Staatsanwältin Judith Vogel den Fall während der Wahl Nefs zum Armeechef ein halbes Jahr lang liegenliess. Der Armeechef wurde erst Ende Januar 2007 verhaftet.
Die Einstellungsverfügung im Fall Roland Nef auf der «Weltwoche»-Webseite: Zürcher Justizdirektion im Erklärungsnotstand
Was bisher geschah: am 21. Oktober 2010 wurde bekannt: Bundesgericht gewährt Einsicht in Einstellungsverfügung von Roland Nef. Erste Reaktion der betroffenen Journalisten: «Weltwoche»-Redaktor Alex Baur: «Das ist ein Triumph für alle Journalisten»
Freitag
22.10.2010




