In England werden SLAPP-Klagen immer häufiger. Es geht dabei um sogenannte «strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung» (Strategic Lawsuit Against Public Participation).
Mit dieser Strategie werden Journalistinnen und Journalisten bei Androhung einer Zahlung von Schadenersatz mundtot gemacht, bevor sie mit ihren Recherchen mögliche Unkorrektheiten aufdecken könnten.
Reporter ohne Grenzen (RSF) macht nun die Entscheidung eines britischen Berufungsgerichts öffentlich, das in der vergangenen Woche einem Geschäftsmann in einer missbräuchlichen Klage gegen eine Journalistin teilweise Recht gegeben hat.
Die Investigativjournalistin Carole Cadwalladr soll laut Urteil dem Geschäftsmann Arron Banks mit einer Äusserung in einem Talk auf einer TED-Konferenz potenziell geschadet haben und kann deshalb zur Zahlung von Schadenersatz verpflichtet werden.
Banks ist im Versicherungswesen aktiv. Sein Vermögen wird auf weit über 100 Millionen Pfund geschätzt. Der Unternehmer gilt als wichtiger Finanzier der Brexit-Kampagne. Die Herkunft des Geldes für seine Spenden in Millionenhöhe wurde von der National Crime Agency untersucht. Diese konnte jedoch nichts Illegales nachweisen. Da Banks sich vor dem Brexit-Referendum mehrfach mit Angehörigen der Russischen Botschaft in London traf, wurde vermutet, das Geld für die Kampagne stamme aus Russland.
Solche Zusammenhänge hat die Journalistin Carole Cadwalladr versucht zu thematisieren. Doch sie wurde von den britischen Gerichten vorsorglich ausgebremst, wie RSF bekannt macht.
«Dass Carole Cadwalladr eventuell Schadenersatz wegen eines journalistischen Beitrags zahlen muss, und das, obwohl das Gericht anerkennt, dass er von grossem öffentlichen Interesse war, ist enttäuschend», sagte RSF-Vorstandssprecher Michael Rediske.
«Arron Banks führt einen Feldzug gegen eine einzelne Journalistin. Damit soll nicht nur sie persönlich eingeschüchtert werden, er will auch anderen Medienschaffenden vor Augen führen, was passieren kann, wenn sie es mit den Reichen und Mächtigen aufnehmen.»
RSF fordert deshalb die britische Regierung auf, ihr Vorhaben zu beschleunigen, Medienschaffende besser vor solchen sogenannten SLAPP-Klagen zu schützen, die Berichte über Missstände von öffentlichem Interesse unterbinden sollen.
In seinem Urteil wies das Gericht zwei Punkte von Banks zurück, gab ihm aber in einem dritten Recht, laut dem der Talk ihm ernsthaften Schaden zugefügt haben könnte.
Cadwalladr solle daher Schadensersatz zahlen. Dem schloss sich das Gericht nun an, auch wenn die andauernde Veröffentlichung des Videos vom Talk sich Cadwalladrs Kontrolle entziehe.
«Diese Einschätzung macht den Weg frei für Schadenersatzforderungen und weitere Klagen gegen Cadwalladr», klagt RSF.
Banks habe gezielt sie als Einzelperson verklagt und nicht die Medien, die ihre Recherchen veröffentlichten. Auf diese Weise werden bei SLAPP-Klagen Medienschaffende isoliert und hohen Gerichtskosten ausgesetzt, die die finanziellen Möglichkeiten vieler Journalistinnen und Journalisten übersteigen.
Banks hingegen hat wiederholt bestritten, dass es sich bei der Klage um Schikane handle, als Reaktion auf das Berufungsurteil aber getwittert: «Hoffentlich werden aus dieser Episode einige journalistische Lehren gezogen.»
Die Regierung in England hat sich bereits verpflichtet, Gesetze gegen SLAPPs einzuführen, dafür aber noch keinen Zeitplan vorgelegt.