Während «Der Spiegel» das Ende von «Schwarz» sieht, die «Süddeutsche Zeitung» über «Ampel oder Jamaika» spekuliert und die ARD etwas von der «Digitalisierung, Corona und Jugend wählt FDP» diskutiert, fasst Politologin Regula Stämpfli, die seit sieben Jahren in München lebt, den Wahltag so zusammen: «Es war ein guter Tag für die Demokratie, wobei die Medien eine echte Klatsche von den Bürgerinnen und Bürgern erhalten haben.»
Ein Kommentar von Dr. Regula Stämpfli für den Klein Report.
Medien und Politologen beschwören den Niedergang der Volksparteien, ohne zu merken, dass es 2021 glücklicherweise kein einheitliches Volk mehr gibt, sondern ganz unterschiedliche Menschen, Weltbezüge, Regionen, Werte.
Was in aller Welt sollte auch einen Banker aus Frankfurt mit der Biobäuerin in Konstanz verbinden ausser dem gemeinsamen Pass? Die Medien zielten im Wahlkampf zuweilen völlig an den klugen Bürgerinnen und Bürgern des Landes vorbei. Dies wurde spätestens dann klar, als Bild TV Thomas Gottschalk (71), Sänger Heino (82), Eislauf-Star Katarina Witt (55) und Jan Josef Liefers (57) als «Wahlexperten» aufbot.
Die Wählenden setzten im Unterschied dazu eben gerade NICHT auf Prominenz, Spektakel oder gar Klickbaits, sondern sie wählten bunt.
Die Frage, wer die nächsten vier Jahre in Deutschland regiert, könnte nach den Wahlen 2021 beantwortet werden mit: «Dies ist von Land zu Land, von Stadt zu Stadt, von Region zu Region verschieden». Die Wahlen widerspiegeln die in den Medien oft vergessene Wirklichkeit: Menschen leben vor Ort, sie sind divers, unterschiedlich, vielfarbig, berücksichtigen viele Parteien und Bewegungen und interessieren sich sehr wohl für Politik.
Ausser in Thüringen und in Sachsen, den klassisch neubraunen Bundesländern, entschieden sich die meisten gegen alle Extreme, auch gegen Lobbyisten und sonstige Schmierfinke: So verpasste, entgegen aller Wahlprognosen, der Waffenlobbyist Philipp Amthor an der Wahlurne sein Direktmandat. Auch der von den Medien portierte ehemalige Präsident des Verfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, der ganz übel rechtsaussen politisiert, verpasste sein Direktmandat.
«Unschicksalshaft» nennt Hans Zippert in der Zeitung «Die Welt» diese Vielfalt. Das Gegenteil ist der Fall: Demokratie ist endlich eine «deutsche Affäre» wie dies Hedwig Richter in ihrem bahnbrechenden Bestseller zur Geschichte Deutschlands schreibt. Denn anders als in den auf Trumpismus abonnierten Medien, die mit Inhaltsleere, Polarisierung und Skandalisierung Informationen aufzupimpen versuchen, waren die Wählenden am 26. September 2021 erfrischend unaufgeregt.
Wie bunt, kleinteilig, lokal und regional unterschiedlich die Wahlen wirklich waren, zeigen auch die acht Prozent Stimmen, die an Basisbewegungen und Kleinstparteien gingen, die nicht im Bundestag vertreten sein werden. Auch sie sprechen gegen die aus den USA importierte Polarisierungs-These.
Der Wahlsonntag in Deutschland hat gezeigt: Menschen sind viel besser als ihr Ruf und die Medien punkto demokratischer Kommunikation schlechter als gedacht.