«Nie wieder Kino?», lautete ein bisschen melodramatisch der Titel eines Gesprächs mit den beiden wichtigsten Filmproduzenten Deutschlands in der «Bild am Sonntag».
Nico Hofmann, CEO der Ufa, redete mit Martin Moszkowicz, Chef der Constantin Film, über ein Szenario, das wenig Hoffnung auf ein baldiges Happy End verspricht.
Die Kinos in Deutschland verlieren derzeit pro Woche 20 Millionen Euro. Durch den Lockdown wurden über 300 Kino- und TV-Produktionen abgebrochen. Wie lange kann die Branche das noch aushalten? «Es wird noch viel, viel länger dauern. Es ist gerade unmöglich, grosse Kinos zu bespielen. Das Ganze ist einfach nicht rentabel», meinte Nico Hofmann.
Martin Moszkowicz: «Den Künstlern insgesamt geht es auf Deutsch gesagt beschissen. Natürlich sagen alle Politiker, dass sie helfen wollen. Aber es kommt wenig an. Und es dauert viel zu lange.»
«Fack ju Göthe» hat er dem Statement nicht angefügt. Aber der Titel von seinem letzten Erfolg hätte gut zur aktuellen Situation gepasst. Von Kultur wird im Moment nicht sehr viel gehalten.
Fakt ist: Deutschland hilft der Lufthansa mit 9 Milliarden Euro, dem Ferienmacher TUI mit 1,2 Milliarden. Für die Film- und Fernsehproduktionen gibt es «ein Rettungsschirmchen von 50 Millionen».
Nico Hofmann: «Dabei sind wir eine Milliardenindustrie mit Tausenden Beschäftigten, die auf der Strasse stehen, wenn nichts passiert. Diese wirtschaftlichen Dimensionen hat die Politik noch nicht verstanden.»
Und was haben sie nicht verstanden? Dazu ein paar Zahlen, die der Klein Report recherchiert hat: «Fack ju Göthe» von der Constantin Film hat mit seinem ersten Teil 80 Millionen Euro eingespielt, Teil 2 noch 72 Millionen und 2017 Teil 3 weiterhin 53.
Die Serie «Unsere Mütter, unsere Väter» (2013) aus der Produktion von Hofmann wurde in 148 Länder verkauft. «Deutschland 83» (2015) war Hofmanns erste deutschsprachige Serie, die im US-Fernsehen ausgestrahlt wurde. Beide Werke wurden mit Preisen nur so überhäuft. Das bescheinigt zwar, dass solche Filme Kunst sind. Man kann sie aber ebenso unter dem Posten «Exportwirtschaft» verbuchen.
Dabei ginge es nicht nur um das Geld. Eine Anklage von Moszkowicz: «Wenn im Flugzeug 350 Passagiere die Maske abnehmen, weil gerade ein Sandwich serviert wird, kann ich nicht versehen, warum in einem gut belüfteten Kino oder Theater nicht ein paar Hundert Zuschauer sein dürfen.»
Die beiden Produzenten klagen deshalb, dass andere europäische Länder für ihre Medienindustrie bessere Lösungen hinbekommen haben als Deutschland.
Zum Beispiel Frankreich: Dort haben alle Kinos gleichzeitig wieder eröffnet. Dazu wurde ein Spot produziert, der von sämtlichen TV-Sendern unzählige Male kostenlos ausgestrahlt wurde. Das Ergebnis war, dass in der ersten Woche eine Millionen Franzosen in den Kinos waren.
«Wieso kriegt man das in Deutschland nicht hin?», fragt Moszkowicz. Diese Frage allerdings könnten die beiden langjährigen Alphatiere der deutschen Filmwirtschaft auch einmal sich selber stellen.
Eine Vorschau auf die Fortsetzung nach dem Cliffhanger haben Hofmann und Moszkowicz in der «Bild am Sonntag» trotzdem noch geliefert. Bei der Einschätzung des Streamings als Bestatter des Kinos waren sich die beiden einig: «Streaming richtet sich nicht gegen das Kino, sondern gegen klassisches Fernsehen und Pay-TV. Kino bietet eine andere Form der Wahrnehmung. Deshalb werden wir weiterhin Filme für das Kino machen.»