Beim Schweizer Fernsehen will man relevant sein. Oft hapert es aber schon bei den Fakten. In der Wirtschaftssendung «eco» vom 13. Februar 2012 arbeitete sich die Redaktion an einem längeren Auslandfeature über misslungene Auslandsengagements von Schweizer Firmen ab. Darin kamen die Swisscom, Rivella, die Migros und die Affichage vor.
Von der halbstaatlichen Swisscom durfte CEO Carsten Schloter seinen bisher erst mit einer Milliarde Franken abgeschriebenen Fehltritt des Kaufs von Fastweb in Italien in der Wirtschaftssendung rechtfertigen und PR-gerecht Kreide fressen. Interessanterweise zwei Tage, bevor die Swisscom ihre Zahlen für 2011 präsentierte und der Fastweb-Kauf, der insgesamt über sechs Milliarden Franken ausmachte, einmal mehr im Fokus stand.
Danach folgte der Getränkeproduzent Rivella, der vor 13 Jahren in Grossbritannien den Einstieg wagte und sich diesen Frühling definitiv von der grünen Insel zurückzog.
In einer Zwischenmoderation kam Moderator Reto Lipp dann aber auf den Hauptbeitrag der Wirtschaftssendung zu sprechen. Ein besonders extremes Beispiel einer gescheiterten Auslandsstrategie sei das Auslandsengagement der Affichage gewesen. Es folgte ein mehrminütiger Beitrag, in dem der ehemalige CEO der börsenkotierten Affichage, Christian Kauter, einseitig als Hauptschuldiger dargestellt wurde. In einer beispiellos oberflächlichen Art wurde die Auslandsexpansion des durch die Hauptaktionäre Jean-Claude Decaux (JC Decaux) und Albert Frère (Compagnie Nationale à Portefeuille) dominierten Unternehmens dargestellt: Als Kronzeuge kam der umstrittene Affichage-Aktionär Max Müller (Starlet Investments AG) zum Zug, der mit aufwendigen Klageverfahren zu Geld und Einfluss bei der Affichage kommen möchte. Hollywood lässt grüssen: Kauter und eine Affichage-Managerin erscheinen gemeinsam lachend auf einem Foto im Paparazzistil, wobei seltsamerweise das Gesicht der Dame abgedeckt worden ist; der ehemalige FDP-Generalsekretär und langjährige Manager Christian Kauter wurde vom SRG-Hausanwalt Rudolf Mayr von Baldegg offenbar durchgewunken.
Überhaupt spielt der Hausanwalt des öffentlich-rechtlichen Senders eine zentrale Rolle in der Aufarbeitung der journalistischen Fehlleistung der «eco»-Redaktion: nämlich hauptsächlich als Verhinderer von fairem Journalismus. Die im Beitrag nachweislich falsch geäusserten Fakten sind teilweise zeitlich unlogisch und deshalb schlicht falsch. Einen ersten handschriftlichen Vertragsentwurf mit einem griechischen Unternehmer zu einem möglichen Firmenkauf im Mai 2006 nennt Müller «unüblich». Es seien grundlegende Regeln missachtet worden, keine professionellen Prozesse durchgeführt worden, lässt man ihm im TV-Beitrag freien Lauf. Der Verwaltungsrat gab am 12. Februar 2007 seine Zustimmung, fügt der Klein Report zur Beweisführung aus zugänglichen Akten an. Müller weiter: So etwas Dilettantisches habe er in seiner ganzen Karriere noch nie erlebt. Es sei keine Due Diligence gemacht worden, schlicht habe man mit einem «bunten Vogel» Geschäfte gemacht.
Bunte Vögel gibt es offenbar auch in der Schweiz: Das deutsche «Handelsblatt» titelte in diesen Tagen über den Nidauer Unternehmer zum Überlebenskampf des deutschen Küchenbauers Alno (467 Mio. Euro Umsatz): «Held oder Gierschlund?» Der Küchenbauer sei weiter «im freien Fall». Die finanzielle Lage verfahren. «Nun heisst es, Vorstandschef Max Müller habe lukrative Zusatzverträge mit dem Konzern abgeschlossen. Ist der Retter nur ein Raffzahn?», fragt die deutsche Wirtschaftszeitung.
Im mit lieblicher griechischer Musik unterlegten Feature heisst es einmal aus dem Off, der neue Affichage-CEO Daniel Hofer hätte die Firma vor dem finanziellen Kollaps retten und aufräumen müssen, was sein Vorgänger angerichtet habe. Da spielt die Musik aber gar laut: Schaut man nur schon in die Geschäftsberichte des Konzerns, erkennt man im Jahr 2010 einen Eigenfinanzierungsgrad von 43,3 Prozent.
Da haben die «PR-Konsulenten» von Hirzel.Neef.Schmid gute Arbeit bei der Infiltrierung geleistet. Jörg Neef berät nicht nur Daniel Hofer, sondern - viel wichtiger - den Franzosen Jean-Claude Decaux, Besitzer des grössten europäischen Aussenwerbekonzerns JC Decaux. Der Affichage-Verwaltungsrat hat den Unternehmer über Jahre als Verwaltungsratspräsidenten verhindert, nun ist er nach dem Management- und Wechsel vieler VR-Mitglieder doch noch zum Präsidenten gewählt geworden. Und: Er schlägt im Aktionärsbrief vor, auf «die althergebrachte Vinkulierung der Namenaktien zu verzichten». «Die damit verbundene Eintragungs- und Stimmrechtsbeschränkung auf fünf Prozent des Aktienkapitals ist nicht mehr zeitgemäss», so Decaux, der bereits 30 Prozent der Affichage hält.
Zum Ausstrahlungszeitpunkt der «eco»-Sendung war bekannt, dass die Aktionärsgruppe um Max Müller (Comco Holding) Kader und Verwaltungsratsmitglieder in der Höhe von 150 Millionen Franken verklagt hat. Der Versuch einer Sonderprüfung scheiterte. Es war bekannt, dass von einer anderen Seite umgehend eine interne Untersuchung durch die unabhängige Deloitte & Touche eingeleitet worden ist, die das damalige Management juristisch wiederum entlastete. Kurzum: Klagen jagen Gegenklagen, Untersuchungen und (Gegen-)Gutachten lenken vom Übernahmekampf des Schweizer Aussenwerbekonzerns ab. Vorsicht ist geboten!
Der «eco»-Beitrag hat in der Wirtschaftswelt hohe Wellen geschlagen. Ob Freund oder Feind, wie es stellvertretend Urs Schneider, Inhaber der Mediaagentur Mediaschneider, ausdrückte: «Das war schlicht eine Hinrichtung.» Bemerkenswert ist aber auch die Tatsache, dass die Redaktion es bis heute nicht für nötig befunden hat, sich der offensichtlich groben Fehlleistungen anzunehmen und adäquat zu reagieren, trotz mannigfacher Kontakte mehrerer Beteiligter.
Zur minimalen Ehrenrettung der Journalisten sei erwähnt, dass Hausanwalt Rudolf Mayr von Baldegg bisher alle «Vermittlungsversuche» entweder ausgesessen oder abgeblockt hat. Dementsprechend landete der Fall als Rechtsverletzung bei Achille Casanova, dem Ombudsmann der SRG Deutschschweiz, als gröberer Fall auf dem Tisch.
Für den Klein Report ist klar, dass die SRG und die Sendung «eco» ihren Programmauftrag beziehungsweise ihre gesetzlichen und konzessionsrechtlichen Programmpflichten verletzt haben. Das Aussitzen eines solchen journalistischen Fehltritts ist fast schlimmer als eine Gegendarstellung, Berichtigung oder Entschuldigung. Die Ombudsstelle des Schweizer Radios und Fernsehens hat jetzt aber erkannt, dass das Sachgerechtigkeitsgebot verletzt worden ist. Man darf gespannt sein, wie sich die SRG aus der Affäre zieht.