Intransparenz oder Beschönigung gehören in Schweizer Unternehmen schon fast zum Berufsalltag. Denn längst nicht alle sogenannten «Kommunikationsprofis» sind den steigenden Kommunikations-Anforderungen auch wirklich gewachsen, sagt Daniel L. Ambühl, Präsident des Schweizerischen Verbands für interne und integrierte Kommunikation (SVIK), im Interview mit dem Klein Report.
Welches sind Ihrer Meinung nach die häufigsten Fehler, die bei der internen Kommunikation gemacht werden?
Daniel L. Ambühl: «Zwar wird immer von Kommunikation gesprochen, aber es hapert meist bei der Umsetzung. Es wird zu wenig zugehört und oft zu schnell, zu viel, unstrukturiert und nicht auf alle Zuhörer zugeschnitten gesprochen.»
Haben sich die Anforderungen verändert, seit Sie vor 22 Jahren das Präsidium des SVIK übernommen haben?
Ambühl: «Kommunikationsberufe liegen heute im Trend. Die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit, an Mutter- und Fremdsprache sowie Arbeitseffizienz sind über die letzten Jahre in der Praxis massiv gestiegen. Viele Menschen müssen deshalb heute auch nach einer guten Ausbildung erfahren, dass sie diesen Herausforderungen nicht gewachsen sind.»
Können Sie einige Beispiele aus Ihrer langjährigen SVIK-Tätigkeit nennen?
Ambühl: «Positiv fallen immer wieder Führungskräfte auf, die sich ausreichend Zeit für das Gespräch mit den Mitarbeitenden nehmen. Negativ ist beispielsweise, wenn Top-Kader heikle Vorfälle beschönigen und nicht innert nützlicher Zeit aufklären. Dieses Verhalten findet man leider seit einiger Zeit auch in Branchen, wo die dazugehörende Wissenschaft hohe Töne anschlägt, dann aber die Technik und deren Unterhalt, die für die Leistungszuverlässigkeit und damit auch für Menschenleben bedeutungsvoll wären, vernachlässigen.»
Kommunikation ist in aller Munde, auch Werbung wird zum Teil gerne als Kommunikation bezeichnet. Wie beurteilen Sie diese Verwässerung?
Ambühl: «Alles ist heute Marketing. Jeder will dem andern etwas verkaufen. Dazu setzt er seine Möglichkeiten und seine gesamte Macht ein. Nicht alles, was Marketing tut, ist ökonomisch oder juristisch einwandfrei, vor allem entspricht es oft nicht ethischen und moralischen Grundsätzen. Das Schutzargument ist dann immer: ´Die andern tun es doch auch!`»
Wie würden Sie – ganz unverwässert – die Entwicklung des SVIK beschreiben?
Ambühl: «Als ältester Fachverband in der Schweiz hat der SVIK den Weg von der Mono- zur Multithematik durchlaufen. 1944 wurde der Verband als Werkleitungs- und Hauszeitungsredaktoren-Verband (SPRV) gegründet. Heute muss er sich mit allen Informations- und Kommunikationsfragen einer professionellen Organisation befassen.»
Wo liegen die grössten Baustellen beim Verband?
Ambühl: «Der SVIK ist heute einer der wenigen auch finanziell unabhängigen und vollständig transparenten Fachverbände in der Schweiz. Da er nicht gleichzeitig Arbeitgeber ist, wird er nicht ebenso intensiv wahrgenommen wie andere Verbände. Der SVIK müsste mit seiner Fachlichkeit und Unabhängigkeit noch wesentlich stärker in der Öffentlichkeit auftreten. Das ist aber auch eine Frage der Ressourcen; Volontäre fehlen oft in entscheidenden Momenten. Und grössere Vorhaben ohne ausreichende finanzielle Reserven zu realisieren, ist heute oft ein Bremsklotz.»
Und wo sehen Sie noch Potential für die nächsten Jahre?
Ambühl: «In Zeiten, in denen Copy-and-Paste als Geschäftsmodel gilt, möchte ich dazu nichts verschreien: Wir werden aber weitere Kanäle schaffen, die nicht nur für unsere Mitglieder interessant sind, sondern eventuell die Branche etwas aufwühlen. Das ist dem SVIK vor bald 40 Jahren zusammen mit der Schweizerischen Studiengesellschaft für Kommunikation und Administration (SSKA), einem heute in den SVIK integrierten Forschungsverbund, schon einmal gelungen. Tönt doch gut für eine 75-jährige Organisation!»
Welche Massnahmen sind nötig, damit der SVIK auch seinen 100. Geburtstag noch feiern kann?
Ambühl: «Wie jede Organisation muss sich auch der SVIK ständig hinterfragen, sorgsam mit seinen Ressourcen - auch den humanen - umgehen, wachsam das Fachgebiet beobachten und möglichst die richtigen Schlüsse daraus ziehen. Will der SVIK allerdings seinen heutigen Charakter als unabhängigen Fachverband behalten, so muss er den Ökonomismus und Legalismus, ja sogar den Egoismus schlagen. Das Ehrenamt muss wieder an Attraktivität gewinnen, damit Organisationen wie der SVIK auf so hohem Niveau arbeiten können. Ich bin zuversichtlich, dass die Entwicklung unserer Gesellschaft wieder in diese Richtung gehen wird.»