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Dienstag
05.01.2010

Medien / Publizistik

Die Directrice adjointe von «Le Temps» und Directrice des Westschweizer Verlegerverbandes Presse Suisse, Valérie Boagno, stellte das Erfolgsmodell der Tageszeitung «Le Temps» unter dem Titel «Qualitätsjournalismus ist nicht nur eine Frage des Geldes» vor.

Sie fasste die aktuelle Krise der Presse in der Schweiz in drei Punkten zusammen: Makroökonomisch gesehen leide die Presse am Umfeld («Die Post hat ihre Dienstleistungen reduziert. Die SRG macht sich im Werbemarkt breit»), prangerte Boagno an. Die konjukturelle Krise belaste alle Verlagshäuser, und auch die Strukturkrise mache allen zu schaffen, so die Directrice adjointe von «Le Temps» weiter.

Es seien nun neue Strukturen und Kompetenzen gefragt. Auf diese «extrem gefährliche Situation» für die Medien gebe es zwei Antworten: entweder eine rückwärtsgewandte Widerstandshaltung oder dann das Metier «neu zu erfinden». Letzteres habe man bei «Le Temps» angestrebt, setzte Valérie Boagno in ihrem Referat hinzu. Die 1998 gegründete Zeitung habe sich dank Strukturveränderungen zum Positiven entwickelt. «Von den 104 Mitarbeitenden sind über 80 Prozent in der Produktion des Blattes engagiert.»

Ziel der Veränderungen waren der Erhalt des Qualitätsjournalismus, dem «Le Temps» verpflichtet ist, und sich weg von der Referenzzeitung hin zur Medienmarke zu entwickeln. Als Prioritäten setzte der «Le Temps»-Verlag, der zu je 44,7 Prozent des Aktienkapitals von Edipresse und Ringier gehalten wird, auf eine neue Redaktionsform, auf die Rentabilisierung des Online-Geschäfts, die Vergrösserung des Verbreitungsgebietes sowie die Personaloptimierung. Dank Spezialausgaben und Online- sowie Mobil-Plattformen und der Nutzung von historischen Archiven seien neue Geldquellen erschlossen worden, erklärte Valérie Boagno weiter.

Die Kooperationen mit dem Westschweizer Fernsehen TSR, das Anzeigenkombi mit der NZZ und ein Werbepool mit «Le Monde» hätten sich wirtschaftlich positiv für «Le Temps» ausgewirkt. Im europäischen Vergleich stehe die Tageszeitung bestens da und erreiche den höchsten Gesamtumsatz pro Jahr und Leser. Eine kleine Zeitung mit einer Auflage von 45'506 Exemplaren stehe mit einem guten Ergebnis da, hielt die «Le Temps»-Directrice abschliessend fest.

Der ehemalige Chefredaktor des «Tages-Anzeigers» und des Schweizer Fernsehens, Peter Studer, machte in seinem Referat an der Dreikönigstagung «kritische Beobachtungen zur aktuellen Befindlichkeit der Medienbranche». Obwohl er mit Lebruments Rede gegen die «Medienschelte» weitgehend einverstanden sei, wolle er doch auf Schwachpunkte hinweisen, wie dass sich «viele Leser von Zeitungen verabschiedet haben und dass der Sellenanzeigenmarkt völlig zusammengebrochen» ist.

Studer nahm dann die Relaunches der drei Zürcher Tageszeitungen «Neue Zürcher Zeitung», «Tages-Anzeiger» und «Blick» unter die Lupe und wagte eine persönliche Beurteilung der Neugestaltung.

«Die NZZ ist die Schönste im Land», meinte Peter Studer. Kritisch äusserte er sich zur Ummantellung der Titelseiten. Da habe ihm der Chefredaktor einer andern Wochenpublikation erklärt, er könne auf die 91'000 Franken für diese Leistung nicht verzichten; damit könne er eine Jahresstelle für einen Journalisten finanzieren.