Der Ringier-Verleger im Gespräch mit der Mitarbeiterzeitschrift «Domo», Teil 2
«Domo»: Können auch heute noch grosse Ideen und Möglichkeiten verwirklicht werden ohne 150-Seiten-Pläne, oder hat eine gewisse Kalkulationsmentalität und Berechenbarkeit Einzug gehalten, die vor allem eine Antwort auf die von Ihnen beschriebene Unsicherheit darstellt?
Michael Ringier: Ich bin überzeugt, dass diese scheinbaren Abenteuer auch heute noch möglich sind. Und zum Thema Unsicherheit und Berater: Wenn wir selber nicht wissen, was wir machen wollen, dann haben wir den falschen Job. Beratung von aussen kann sinnvoll sein, wenn es um die Verbesserung von internen Abläufen geht oder um das Gewinnen einer grossen Übersicht im Markt. Aber wenn wir, das Management und der Verwaltungsrat, jemanden von aussen brauchen, der uns sagt, in welchen Geschäftsfeldern wir künftig unser Geld verdienen sollen, dann sind wir wirklich am falschen Platz. Aber bitte, stellen Sie doch endlich Ihre Lieblingsfrage!
Welche?
Michael Ringier: Wann ich verkaufen werde.
Ist Ringier fähig, alleine in die Zukunft zu gehen?
Michael Ringier: Das werden wir sehen. Ein Kern des Unternehmens wird stets Ringier sein. Die Familie hat nicht im Sinn, diesen Kern zu verkaufen oder zu fusionieren. Auf der Ebene der Tochtergesellschaften muss es aber in der Tat zu Partnerschaften kommen - nicht aus finanziellen Gründen, sondern weil keine der im Markt aktiven Firmen mehr über alle nötigen neuen Kompetenzen verfügt.
Wie meinen Sie das?
Michael Ringier: Nehmen Sie das Thema Ticketing. Hier haben wir soeben ein Joint Venture realisiert. Es wäre völlig blöd gewesen, hätten wir versucht, das Ticketing alleine aufzubauen. Die Kunst der Unternehmensführung wird es sein, derartige Symbiosen zu finden. Wir werden sicherlich mehr mit Partnern unternehmen als je zuvor.
Die Gerüchte, dass Sie verkaufen wollen, entbehren jeder Grundlage?
Michael Ringier: Dieses Gerücht verbreitet vor allem eine Schweizer Zeitung, die, um ihre These aufrechtzuerhalten, auch frei erfundenen Schwachsinn abdruckt. Kürzlich stand geschrieben, ich sei zu Verkaufsverhandlungen bei Goldman Sachs in London gewesen. Tatsache ist: Ich weiss nicht einmal, wo Goldman Sachs domiziliert ist, und ich war in London in der Tate Modern in einer Ausstellung des Künstlers, der unseren Geschäftsbericht gestalten wird. Ausserdem ist es umgekehrt.
Was meinen Sie mit umgekehrt?
Michael Ringier: Goldman Sachs würde nach Zürich zu mir kommen, wenn ich etwas wollte. Will ich aber nicht. Aber das kümmert diese Zeitung wenig. Sie macht weiter ihren Thesenjournalismus.
Ist das derjenige Journalismus, der uns allen blühen wird, wenn einmal die Newsrooms mit ihren effizienten Abläufen und nur noch wenigen, das Denken fördernden Leerräumen in Betrieb sind?
Michael Ringier: Das Gegenteil ist der Fall. Der Newsroom dient dazu, dass besserer Journalismus betrieben wird. Journalisten können neu in Teams und intensiver an ihren Projekten arbeiten. Es wäre verfehlt, wenn wir die neuen technologischen Möglichkeiten nicht nutzen würden. Ich höre Ihre Frage aber nicht zum ersten Mal, und ich wundere mich immer wieder darüber, dass Journalisten von allen anderen Menschen Veränderungen und Fortschritt verlangen, selber aber konservativ dem Alten verhaftet bleiben.
Ich liebe nun einmal den alten Recherche-Journalismus des allein wirkenden Autors.
Michael Ringier: Den können Sie zusammen mit der Unterstützung der Kollegen im Newsroom doch noch viel besser betreiben. Ich verstehe aber vollkommen, dass Neues zu Unsicherheit führen kann. Auf der anderen Seite bin ich überzeugt, dass schon zwei Monate nach dem Start des integrierten Newsrooms in der Schweiz kein Journalist mehr ein schlechtes Wort darüber verlieren will. Letztlich kommen wir nicht darum herum, den Konsumenten das zu bieten, was sie künftig wollen: Onlinezugänge, Printprodukte, Mobilelösungen, und auf diesen Kanälen immer unseren originären Inhalt, den wir schaffen müssen.
(Fortsetzung 3. Teil)
Dienstag
02.03.2010



