Die Digitale Gesellschaft hat beim zuständigen Dienst Überwachung Post- und Fernmeldeverkehr (Dienst ÜPF) des Eidgenössischen Polizei- und Justizdepartements ein Gesuch auf Unterlassung der Vorratsdatenspeicherung eingereicht. Die Digitale Gesellschaft will ihre Beschwerde nötigenfalls bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte weiterziehen, wie sie am Freitag mitteilte.
In der Schweiz müssen alle Anbieterinnen von Post- und Fernmeldediensten die Metadaten der gesamten Kommunikation ihrer Nutzerinnen und Nutzer speichern und diese Vorratsdaten während mindestens sechs Monaten den Behörden zur Verfügung stellen. Mit den gespeicherten Vorratsdaten lassen sich viele Fragen zum persönlichen Verhalten der betroffenen Nutzerinnen und Nutzer beantworten sowie umfassende Bewegungsprofile erstellen: Wer hat wann und mit wem telefoniert? Wo hat sich das verwendete Handy befunden? Wer hat zu welchem Zeitpunkt seine E-Mails abgerufen und von wem stammten diese E-Mails? Wer hat welche IP-Adressen oder Handys in den letzten Monaten wo genutzt? Wer befand sich zur gleichen Zeit am gleichen Ort?
Die flächendeckende und verdachtsunabhängige Überwachung durch die Vorratsdatenspeicherung kollidiert nach Ansicht der Digitalen Gesellschaft mit verschiedenen Grundrechten gemäss Bundesverfassung und Europäischer Menschenrechtskonvention. Neben dem Recht auf Schutz der Privatsphäre und dem Fernmeldegeheimnis seien auch die freie Meinungsäusserung und die Unschuldsvermutung betroffen. Im Umgang mit Ärzten, Rechtsanwältinnen, Pfarrern und Journalistinnen seien ausserdem Verschwiegenheitspflichten sowie der Quellenschutz gefährdet.
Beschwerdeführer sind unter anderem Norbert Bollow (Mediensprecher der Digitalen Gesellschaft), Dominique Strebel (Journalist und Studienleiter an der Schweizer Journalistenschule MAZ in Luzern) und Balthasar Glättli (Nationalrat Grüne). Sie werden vertreten durch Viktor Györffy (Rechtsanwalt in Zürich).
Die Digitale Gesellschaft ist ein offener Zusammenschluss netzpolitisch interessierter Gruppen und Einzelpersonen. Die Beschwerde gegen die Vorratsdatenspeicherung wird unter anderem durch die Wau Holland Stiftung, den Verein grundrechte.ch, den Chaos Computer Club Zürich (CCCZH), die Swiss Privacy Foundation, die Enter AG (Hartwig Thomas) und die Swiss Internet User Group (SIUG) ermöglicht.