Schon Tage vor dem Spiel zwischen England und Russland kam es in den Strassen von Marseille zu teils heftigen Schlägereien und Übergriffen zwischen den Fans der beiden Teams. Diese Fehde wurde auch ins Stadion getragen, doch gesehen hat man sie bei der Live-Übertragung des Spiels nicht.
Warum? Weil die Uefa das Bild bestimmt, das aus den Stadien gesendet wird. Und der europäische Fussballverband zeigt nur, was er zeigen will. Technisch funktioniert das so: Es gibt ein sogenanntes Weltbildsignal, das eine Produktionsfirma im Auftrag der Uefa mit 35 Kameras produziert. Dieses Signal übernehmen die übertragenden Sender.
In Marseille hatte das ZDF zum Beispiel ein eigenes Kamerateam vor Ort, allerdings für Interviews und Einschätzungen und nicht, um den Stadioninnenraum zu filmen. Das wäre theoretisch auch möglich, bis zu zehn eigene Kameras dürfen ARD und ZDF platzieren, allerdings bedeutet das einen Aufwand, der sich fast nur bei Spielen der deutschen Mannschaft rechtfertigen lässt.
Fast alles, was über den deutschen Fernseher läuft, ist also das Weltbildsignal der Uefa und das ist kein journalistisches. Die Uefa will ihr Produkt Europameisterschaft verkaufen und da sind Bilder von prügelnden Fans nicht förderlich. Also versucht man, sie zu unterdrücken.
Was in Marseille passiert ist, weiss man, weil es unabhängige Fotografen auf Bildern oder Fans auf Smartphone-Videos festgehalten haben. Das bedeutet: Der Zuschauer muss den Fernsehbildern misstrauen.
Natürlich muss man die Gewalt nicht glorifizieren, man muss keinen Voyeurismus bedienen und Schlägern eine riesige Bühne geben. «Wir wollen nicht, dass Szenen von Gewalt im Fernsehen zu sehen sind», teilte die Uefa mit. Aber es gibt eben Abstufungen zwischen einer verherrlichenden Darstellung und überhaupt keiner Darstellung. Konsequent zu Ende gedacht, bedeutet diese Strategie: Wenn die Uefa eine Bildregie wie in Marseille bei jedem Spiel durchzieht, dann könnte es bei jedem EM-Spiel Ausschreitungen geben und am Ende hätte der Zuschauer eine friedliche EM gesehen. Die Realität sieht leider anders aus.