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Sonntag
16.08.2009

«Wie allgemein bekannt, weist der Juli aufgrund der Sommerferien traditionell ein geringeres Anzeigenvolumen auf als die anderen Monate. Hierin liegt auch hauptsächlich der Grund für den diesmal bescheidenen Rückgang.» Das schreibt die Anzeigenvermittlerin Publicitas zum Minus von 1,2 auf 77,6 Punkte ihres Monats-Index. Der Rückgang im Juli entspreche «einem leichten Rückgang», ein Aufschwung sei noch nicht in Sicht.

Zur Erinnerung: Mit der Euro 08 im vergangenen Juni begann die Talfahrt, welche die grösste Strukturbereinigung in der Schweizer Zeitungsgeschichte eingeläutet hat. Nachdem viele Grosskunden und deren Medialeute ihre Werbegelder im Fussballmonat zurückhielten, um im zweiten Halbjahr 2008 mehr Wirkung und Aufmerksamkeit zu erzielen, zeigte sich im dritten Quartal erstmals die Rezession auf internationalem Hintergrund in den Charts.

Die nun kommenden Monate des laufenden Jahres werden also bereits auf der Vorjahresbasis des seit über einem Jahr andauernden Abwärtstrends (!) berechnet. Die jetzt überall am Ruder rudernden Erbsenzähler an den Spitzen der Verlags- und Vermarktungshäuser klammern sich an den entsprechenden «leichten Rückgang».

Und die Verleger in vierter und fünfter Generation? Die klammern sich ans Taschentuch und jammern in ihren Zeitungen vom Übel der Gratiskultur, anstatt sich - wahrscheinlich erstmals in ihren Biografien - aufs unternehmerische Erfinden zu konzentrieren. Im Klartext heisst das: Neue Ideen marktfähig machen, neue Märkte erschliessen. Aber nicht nur als Kolonialisten im Osten mit dem ererbten Geld Märkte zusammenkaufen, sondern neue kleine Hybrid-Autos zu entwickeln, so wie es die Autoindustrie die letzten 20 Jahre kolossal verpasst hat und nun vom Staat gerettet werden muss.

Man braucht kein Prophet zu sein, um zu sehen, dass die Schweizer Printbranche mit solch larmoyantem Personal an der Spitze nirgends mehr einen Blumentopf gewinnen wird. Die Publicitas, welche die Monatszahlen im Publicitas-Index jeweils zusammenfasst, hatte letzte Woche den Schneid, ihre Nummer zwei im börsenkotierten Konzern im eigenen (?) Kommunikationsportal persönlich.com die vollkommen gescheiterte Strategie schönzureden. Der wahrscheinlich völlig überforderte Journalist hätte nicht nur im Minimum erwähnen müssen, dass er hier seinen «Verleger» (Besitzer) schriftlich interviewt, sondern dies ganz grundsätzlich für die Leserschaft deklarieren müssen.

Die nach unten offene Richterskala verschiebt ihren Radius ins Lager der Anwälte. Peter Wanner, (Erb-)Verleger der «Aargauer Zeitung» und des «Sonntag», denkt daran (oder hat schon) seine Inserate-Vermittlerin Publicitas «auf entgangene Umsätze» einzuklagen. Das ist etwa so, wie wenn man Petrus aufs schlechte Wetter verklagt. Obwohl man jahrelang Unmengen von CO2 in die Luft gejagt hat und sich jetzt wundert, weshalb sich das Klima erwärmt. Dito bei Ringier. Die Kriegsführung ist schon seit Jahren an Anwälte delegiert, ähnlich wie bei den Banken, wo man jetzt minutiös juristisch hinterher recherieren muss, um rauszufinden, was und wieviel die verantwortliche (!) Spitze jeweils gewusst hat. Die Strategie heisst in den oberen Etagen: Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen: juristisch perfekt und korrekt!

Der Schluss liegt wieder einmal nahe, dass wer Geld hat, auch die Macht hat. Die Gefahr besteht, dass die angeheuerten Juristen als Rechtsverdreher das System pervertieren. Beispiele gibt es Dutzende: Sie vertragen sich nicht mit der ursprünglichen Idee des Beobachters, der Watchdog (der vierten Gewalt) - sie sind diametral entgegengesetzt.

Weshalb schreibt beispielsweise die Publicitas nicht einfach das Wort «Bank» oder «Immobilienverwalter» über ihr Eingangstor in Lausanne? Bei Ringier könnte auf dem Schild «Anwaltskanzlei» stehen.

Weshalb verkaufen diese armen Kerle (Frauen gibts nur als Erben) ihre Last nicht einfach? Wirklich, dieser Gedanke kommt dem Klein Report von Herzen. Weshalb nicht golfen, Bilder kaufen, Politiker werden, philosophieren - kurz: jeder seiner Berufung nachgehen. Dann könnte es doch noch gut kommen.