Vor der Corona-Krise war das Thema «Verpackung» noch «of low interest» in der Öffentlichkeit.
Die aktuelle Situation zeigt indes, dass Verpackungen für die Versorgung der Bevölkerung zweckvolle Funktionen erfüllen. Sie schützen wertvolle Güter, verlängern die Haltbarkeit von Lebensmitteln, garantieren Hygiene und unterstützen Warentransporte. Und auch während der Krise können Regale laufend nachgefüllt werden, es fehlt an nichts.
Der Klein Report hat sich mit Philippe Dubois, dem Präsidenten des Schweizerischen Verpackungs-Instituts (SVI), über die Befindlichkeit der Verpackungsbranche in dieser Zeit der Corona-Pandemie unterhalten. Claude Bürki stellte die Fragen.
Die Corona-Krise hat die Wirtschaft hart getroffen. Wie steht es um die Schweizer Verpackungsindustrie in der Covid-19-Krise?
Philippe Dubois: «Die Schweizer Verpackungsindustrie wurde von der Krise weniger oder fast gar nicht getroffen, etwa wie andere Bereiche, zum Beispiel die exportierende Maschinenindustrie. Sie ist noch von Auswirkungen - wie in anderen Ländern - verschont geblieben, wo ganze Produktionslinien abgestellt wurden. Trotzdem: Die Firmen machen sich gegenwärtig Sorgen über die Zukunft, die sehr ungewiss ist. Es wäre wünschenswert, wenn die Einkäufer von Verpackungen ihre Beschaffungsstrategie überdenken und auch weiterhin vermehrt Schweizer Firmen berücksichtigten. Diese Krise hat klar verdeutlicht, wie wichtig die Versorgungssicherheit und flexible Lieferanten sind, deshalb darf nicht nur der Preis berücksichtigt werden!»
Gegessen und getrunken wird immer. Sind die Hersteller von Lebensmittelverpackungen demzufolge weniger stark von der Krise betroffen?
Dubois: «Diese Aussage trifft nur zum Teil zu. Die Hersteller von Lebensmittelverpackungen für die privaten Haushalte sind gut bis sehr gut ausgelastet. Bei verschiedenen Produkten kam es, bedingt durch die Hamsterkäufe der Konsumentinnen und Konsumenten, verschiedentlich zu Engpässen. Die Materialbeschaffung ist jedoch seit Anfang der Krise gewährleistet. Einige Lieferanten haben aber schon Preiserhöhungen angekündigt. Anders sieht es bei den Unternehmen aus, die Verpackungen für Hotel-, Restaurant- und Cafébetriebe herstellen.»
Wer sind die Gewinner, wer die Verlierer?
Philippe Dubois: «Im letztgenannten Bereich sind die Umsätze teilweise um bis zu 80 Prozent geschrumpft. Verschiedene Firmen konnten diese Einbussen mit einem erhöhten Absatz im Food-Bereich kompensieren. Im Bereich der Kartonverpackungen mussten einige Firmen teils grosse Bestellungsrückstände feststellen.»
Die Hersteller von Pharma-Verpackungen dürften zu den Unternehmen zählen, die unter der Krise weniger zu leiden haben. Sind das die «hidden champions»?
Dubois: «Im Segment der Pharma- und Healthcare-Verpackungen ist die Nachfrage sehr hoch. Es hat sich gezeigt, dass auch hier Hamsterkäufe für gewisse Medikamente zu Engpässen geführt haben.»
«Verpackung» wird nun auch in den Augen eines Teils der Öffentlichkeit als «systemrelevant» bezeichnet. Dies vor allem im Hinblick auf die Hygienefunktion. Ein bekanntes Unternehmen, Mitglied des SVI, bietet seinen Kunden jetzt sogar Schutzmasken an. Trägt dies zu einem Image-Boost der Branche bei?
Dubois: «Das SVI hat beim Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) interveniert und bewirken können, dass die Schweizer Verpackungsfirmen als 'systemrelevant' deklariert wurden. Dies hat nicht nur auf den vereinfachten Import von Materialien einen direkten Einfluss, sondern erleichtert auch die Arbeitsbewilligungen für Grenzgänger, die in vielen Betrieben Schlüsselpositionen innehaben. Das besagte Unternehmen und SVI-Mitglied, das nun auch 'Gesichtsverpackungen' herstellt, ist für seine Innovationen bekannt und hat hier sehr schnell die zündende Idee gehabt, wie man mit einer 'Gesichtsverpackung' die Menschen schützen kann. Dies zeigt, dass in Krisenzeiten völlig Neues entstehen kann. Ausserdem zeigt sich, dass bei den Konsumenteninnen und Konsumenten die Basisfunktionen Hygiene und Transport wieder als existentiell betrachtet werden, und sich nicht alles nur um Ökologie und Plastikabfall dreht.»
Wie sieht der Arbeitsmarkt für Verpackungsfachleute aus? Gab es Entlassungen oder werden auch in der Krise noch Leute gesucht?
Philippe Dubois: «Bis jetzt sind mir keine Fälle von Entlassungen bekannt, sind die Firmen doch in dieser Krisenzeit gut bis sehr gut ausgelastet. Qualifizierte Fachleute werden immer noch gesucht. Das sehen wir an den Teilnehmerzahlen unserer Aus- und Weiterbildungskurse. Auch das SVI musste seinen Terminkalender anpassen. Immerhin konnte das SVI noch knapp vor Ausbruch der Krise die Tagung 'Lebensmittelverpackung der Zukunft' durchführen.»
Wie sieht es mit den Lehrgängen und anderen Aktivitäten, die das SVI anbietet, aus?
Dubois: «Das SVI hat seine verschiedenen Ausbildungsmodule bei Ausbruch der Krise gestoppt und Online-Lektionen anstelle von Präsenzunterricht durchgeführt, wo dies möglich war. Was nicht online stattfinden konnte, wird im Herbst nachgeholt. Das Intensivseminar 'Lebensmittelkontaktmaterialien' mussten wir beispielsweise im März wegen des Lockdowns absagen und haben es daher auf den 1./2. September verschoben. Unsere nächsten Kurse beginnen im Spätsommer und Herbst regulär, wenn die Eindämmung der Corona-Epidemie in der Schweiz weiterhin so gut gelingt. Ende August beginnt dann das Grundlagenseminar 'Verpackung' und Anfang September startet der Lehrgang 'Packaging Manager 2020'. Auch die Einführungstage in das Verpackungswesen auf Deutsch und Französisch werden wieder durchgeführt.»
Was tut das SVI in dieser Zeit für seine Mitglieder?
Dubois: «Wie schon gesagt, konnte das SVI mit dem Gewicht seiner Mitglieder bei den Behörden bewirken, dass die Verpackungsbranche als 'systemrelevant' deklariert wurde. Profitiert davon haben aber auch alle 'Trittbrettfahrer-Firmen'. Dazu kann ich nur sagen: Gemeinsam sind wir stark - und könnten noch stärker sein bei der Interessenvertretung unserer Branche!»
Ist die Branche in der Krise enger zusammengerückt?
Dubois: «Die Verpackungsindustrie ist sicher mit ihren Kunden zusammengerückt, ging es doch um die Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit. Um die Auswirkungen der Corona-Krise zu bewältigen, muss jedoch jedes Unternehmen seine eigene Krisenstrategie entwickeln und über Sofortmassnahmen entscheiden.»