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Dienstag
18.07.2017

Medien / Publizistik

Verschweigen und Verleugnen sind einerlei

Verschweigen und Verleugnen sind einerlei

Alles und jeder beschäftigt sich mit «Fake News», doch die Diskussion zielt am eigentlichen Kernpunkt des Themas vorbei.

Auch das Schweizer Fernsehen (SRF) brachte in der Woche vom 3. Juli mit «The Truman Show» und «Wag the Dog» unter anderem Spielfilme, Dokumentationen und ein #SRFglobal zum Thema Fake News. Die Sendung «Rendez-vous» auf SRF 1 widmete sich dem Thema sogar einen ganzen Monat.

Die mangelnde Resonanz des eindrücklichen SRF-Programms in der Öffentlichkeit lässt darauf schliessen, dass beim Thema Fake News die wirklich wichtigen Zusammenhänge noch nicht erschlossen sind. Die Klein Report-Kolumnistin und-Medienexpertin Regula Stämpfli hat deshalb über einige Leerstellen im Diskurs zu Fake News nachgedacht.

Selbstverständlich lassen sich plumpe Lügen von wissenschaftlichen Fakten, Verschwörungstheorien von Realitäten unterscheiden. Doch eigentlich geht es in der Diskussion um Fake News nicht um den Wahrheitsgehalt der jeweiligen Darstellungen, sondern um die Auswirkung derselben auf die Lebensumstände der Menschen und natürlich auf die Demokratie.

Fake News beeinflussen nicht nur Wahlen, sondern sie gestalten darüber hinaus die Welt nach völlig absurden Massstäben. Wer beispielsweise den Klimawandel leugnet, verbreitet nicht nur Fake News, sondern schadet dadurch Mensch, Tier und Natur. Bei Klimaleugnern ist jeder Widerspruch gegenstands- und bedeutungslos, weil sie sich nicht um die Verständigung und die Argumente der Anderen kümmern. Sie machen einfach weiter wie bisher oder ordnen noch zusätzliche Zerstörung an.

So definiert Hannah Arendt die Sprache als Gewalt, die Worte werden selbst zur Waffe. Sprache als Gewalt ist nicht an die Übereinkunft mit Anderen, also an das, was Demokratie ausmacht, gebunden. Deshalb können sich völlig idiotische Positionen selbst gegen viele, die widersprechen, durchsetzen, wenn sich diese Sprechakte mit der Herrschaftsgewalt verbinden.

Verbunden mit Gewalt können Fake News jede Rücksicht auf die menschlichen Fähigkeiten des Sprechens und Denkens ausser Kraft setzen. Das Widerlegen von Fake News nützt nichts, wenn sie gewaltig von Interessengruppen mit Gewaltpotenzial geäussert werden. Das Beispiel der Klimaleugner, die in den USA in der Regierung sitzen, ist sprechend genug.

Doch selbst wenn die Klimakatastrophe nicht geleugnet wird, bedeutet dies nicht, dass sie aufgehalten wird. Denn solange die Herrschenden zwar die Wissenschaft zur Kenntnis nehmen, aber kraft ihrer Gewalt nichts unternehmen und nur in Rhetorik verhaftet bleiben, ändern sie ebenso wenig an der baldigen Erstickung des Meeres wie die Klimaleugner. Auch hier wäre die Analyse der realen Gewaltverhältnisse wichtig, statt sich im Wellness-Bad politischer Korrektheit zu suhlen.

Alle diese Überlegungen fehlen in der Diskussion um Fake News. Die Entpolitisierung aller Sachverhalte bietet ein gutes Versteck für all die Gewaltakte, die mittels Technik Erfolg zeigen. Fake News müssen nicht in erster Linie auf ihren Wahrheitsgehalt, sondern auf ihr Gewaltpotenzial und ihre politische Wirkung überprüft werden. Bots, Big Data, Bubble et al. reproduzieren sich aufgrund der herrschenden Gewaltverhältnisse und technischen Möglichkeiten - und nicht, weil sie wahr oder falsch sind. Die technische Reproduzierbarkeit, die sich mit Oligarchien, Einzelinteressen, Monopolen etc. verknüpft, sind in der Beurteilung von Fake News und deren Wirkung für die Politik zu untersuchen.