Als «Zwölf»-Chefredaktor Gian-Andri Casutt vom Klein Report letzte Woche gefragt wurde, was er vom Verkauf der bisher unabhängigen deutschen Fussballzeitschrift «11 Freunde» an den Gruner & Jahr-Verlag halte, war er sichtlich überrascht. «Stimmt das wirklich mit `11 Freunde`? Das kann ich mir kaum vorstellen», sagte er.
Casutt erklärte dem Klein Report in einem ausführlichen Interview, weshalb ihm der Verkauf von «11 Freunde» so nahe geht und wieso das Schweizer Pendant «Zwölf» sicher nie an die Medienkonzerne Tamedia oder Ringier verkauft werden wird.
Klein Report: Wer am Kiosk die Fussballzeitschriften durchblättert, stellt rasch fest, dass sich die Magazine «Zwölf» und «11 Freunde» ähneln. Ist dies ein Zufall?
Gian-Andri Casutt: «2006 war ich einer von mehreren fussballverrückten Journalisten, die gemeinsam mit weiteren engagierten Fans eine etwas andere Fussballzeitschrift herausgeben wollten. Wir wollen witzige, kritische, unterhaltende und auf leidenschaftliche Weise Geschichten von den Spielfeldern, Chefetagen und Tribünenrängen des Schweizer Fussballs erzählen. Als Vorbild diente uns damals die deutsche Zeitschrift `11 Freude`, die 2000 von den Bielefeld-Fans Philipp Köster und Reinaldo Coddou gegründet worden war. Die beiden haben uns Tipps gegeben, worauf wir bei der Heftlancierung achten sollten. Wir telefonierten häufig miteinander, ich bekam oft lange Mails voller Ratschläge.»
Haben Sie damit gerechnet, dass «11 Freunde» eines Tages an ein grosses Medienunternehmen verkauft werden würde?
Casutt: «Ein gewisses Abdriften in Richtung Mainstream hat zuletzt sicher stattgefunden. Dass sich vor einiger Zeit Mitgründer Reinaldo Coddou aus dem Projekt zurückzog, weil er sich nicht mehr mit der inhaltlichen Ausrichtung identifizieren konnte, kann man im Nachhinein als Alarmzeichen deuten. Aber ich war trotzdem geschockt, als ich vom Verkauf an Gruner & Jahr erfuhr. Ich verstehe jedoch Philipp Köster ein Stück weit auch, schliesslich ist er mittlerweile zweifacher Familienvater.»
Wäre ein Verkauf von «Zwölf» an Tamedia oder Ringier denkbar?
Gian-Andri Casutt: «`Zwölf` wird nie an ein Medienunternehmen verkauft. Herausgeber der Zeitschrift ist der unabhängige Verein für Fussballkultur mit Sitz in Bern. In den Vereinsstatuten ist festgehalten, dass `Zwölf` ein Non-Profit-Projekt ist. Für einen Verkauf müssten die Statuten geändert werden. Dafür wird es nie eine Mehrheit geben.»
Weshalb kann sich Ihre Zeitschrift diese Unabhängigkeit leisten?
Casutt: «Wir haben keinen Overhead, also keine Büros und sonstige kostspielige Infrastruktur. Wir zahlen den Journalisten angemessene Honorare, aber viele Arbeitsabläufe basieren immer noch auf Freiwilligenarbeit. Und wir halten bewusst an der zweimonatlichen Erscheinungsweise fest. Ein Monatsheft wäre mit unseren Strukturen nicht tragbar.»
Wer kauft das Heft?
Gian-Andri Casutt: «Stadionbesucher, Akademiker und alle Sportinteressierten, die an einer etwas anderen Fussballzeitschrift Gefallen finden. Die Zahl der Abonnenten liegt bei fast 4000, von jeder Ausgabe setzen wir zudem über 1000 Exemplare am Kiosk ab.»
Wie einst «11 Freunde» scheint jetzt auch «Zwölf» in Richtung Mainstream zu driften. Die wegen ihres Einflusses auf die Spielpläne wenig geliebten Fernsehsender Teleclub und Schweizer Sportfernsehen inserieren, die Fanrubrik, in der Anhänger aller 10 Super League-Klubs Gastbeiträge schrieben, wurde nach etwa zwei Jahren gestrichen...
Casutt: «Über unsere Zusammenarbeit mit Teleclub und Sportfernsehen hat sich nie jemand beschwert. Und die Fanrubrik wurde nur gestrichen, weil die Zusammenarbeit mit den Fankurven organisatorisch sehr schwierig war und Beiträge oftmals verspätet oder gar nicht eingetroffen sind.»
Wie grenzt sich «Zwölf» von Hochglanz-Zeitschriften ab, für die das Sportgeschehen vor allem Entertainment ist? Wäre eine Ausgabe beispielsweise zum Thema Mode denkbar?
Casutt: Wir werden sicher nie ein bestimmtes Thema setzen, nur damit der Inserateverkauf einfacher wird. Und die typische Ronaldo-Story kommt bei uns nicht ins Heft.»
Mit Peter Balzli, dem London-Korrespondenten des Schweizer Fernsehens, haben Sie einen prominenten Mitarbeiter...
Casutt: «Wir haben Balzli an einer Fussball-Lesung kennengelernt. Er zeigte grosses Interesse am Projekt und hatte als früherer Zeitungsjournalist Lust, mitzumachen. Ohne dass wir mit ihm einen Vertrag abgeschlossen haben, berichtet er seit mehreren Ausgaben über das Fussballgeschehen in England. Er erhält dafür das übliche `Zwölf`-Honorar. Seit er seine fussballerischen Englandreportagen schreibt, wird er immer wieder zu Fussball-Lesungen eingeladen. Er hat sogar schon eine Anfrage aus Deutschland erhalten.»
Ende Juni wurde bekannt: Gruner und Jahr übernimmt Mehrheit an «11 Freunde»
Sonntag
11.07.2010