Die 61. Internationale Buchmesse in Frankfurt ist am Mittwoch mit 7373 Ausstellern aus 100 Ländern eröffnet worden. Sie präsentieren etwa 400 000 Titel, darunter 120 000 Neuerscheinungen. Hauptthema ist indes Gastland China und die Frage, wie mit dem Umstand umzugehen sei, dass China eine rigide Medienzensur kennt. Es werde «keine Tabus» geben, versprach die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Eröffnungsfeier mit dem stellvertretenden chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping. Das grösste Treffen der Buchbranche war schon im Vorfeld in die Kritik geraten, nachdem zwei regierungskritische Autoren auf Druck des chinesischen Mitveranstalters wieder ausgeladen worden waren.
Das Thema China an der Buchmesse hat entsprechend am Mittwoch die Zeitungen von halb Europa beschäftigt. So schrieb die spanische «La Vanguardia»: «Die Frankfurter Buchmesse öffnete ihre Türen mit einem gespaltenen Herzen; einerseits ist da das Geld, andererseits die zivilisatorische und wohlmeinende Mission Chinas, die Europa sich seit einigen Jahrhunderten anmasst zu unternehmen. Auf eine gewisse Art scheint es eine Wiederholung der Spiele in Peking zu sein, mit dem Unterschied, dass China damals ein Heimspiel hatte, jetzt aber `Ehrengast` auf dem Spielplatz des Gegners ist. Eine merkwürdige Situation
»
Die «Berliner Zeitung» befasste sich mit dem Widerspruch, dass die Zensurbehörde Veranstalter des Auftritts in Frankfurt ist: «Da China sein Image in der Welt nicht egal ist, organisiert nun ausgerechnet die chinesische Zensurbehörde, das Amt für Presse und Publikation, den Auftritt des Gastlandes in Frankfurt. Die Art und Weise, wie sich die Vertreter der offiziellen Delegation auf der Buchmesse der Debatte stellen, wird der beste Massstab dafür sein, wie reformbereit die chinesische Regierung in Sachen Meinungsfreiheit tatsächlich ist.»
Die «Frankfurter Rundschau» warf die Frage nach der monetären Seite des Themas auf: «Hey, es werden Menschenrechtsverletzungen und dergleichen Missstände bei den Chinesen beklagt werden, und unsere Kritik daran wird, wohlfeil wie sie ist, verschweigen, dass unsere chinesischen Freunde nur deswegen das sind, was sie sind, nämlich mächtig und nun auch in Frankfurt, weil wir von ihnen jahrzehntelang als billige Werkbank profitiert haben - ohne uns darüber zu beklagen. Wie auf jeder Buchmesse wird also auch in diesem Jahr wieder im hohen Ton der Moral gelogen werden. Uns soll das, wie in jedem Jahr, egal sein. Denn spätestens in 15 Jahren wird China noch weltwirtschaftsmächtiger sein und also unsere Renten finanzieren.»
Und schliesslich gewann die italienische «La Repubblica» dem Thema noch eine zynische Note ab: «Wenn bei den Olympischen Spielen ein paar Tibeter genügten, um das Bild zu trüben, so sind es in Frankfurt die kritischen Künstler wie Ai Weiwei oder aus dem Gefängnis entlassene Schriftsteller wie Bei Ling, der als Kompromiss am letzten Tag der Messe sprechen wird, damit man wenigstens die Flugreservierungen nicht ändern muss, falls die chinesische Delegation entscheidet, die Buchmesse aus Protest zu verlassen.»
Mittwoch
14.10.2009



