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Mittwoch
19.08.2009

Am Mittwoch hat die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» (FAZ) den Konflikt zwischen Radiopionier Roger Schawinski (Radio 1) und dem mehrheitlich dem Ringier-Verlag gehörenden Radio Energy Zürich aufgenommen. Schawinski fühlt sich in einem Energy-Mailing als raffgierigen Juden dargestellt und diffamiert. Jetzt hat er eine Klage gegen Energy angekündigt.

Energy-Chef Dani Büchi schwurbelte am Dienstag im Branchendienst «Persönlich», er sehe einer Klage «gelassen entgegen». Zudem machte er dort als Ringier-Angestellter die seltsamen Aussagen, das Mailing habe «nichts mit Ringier zu tun». Und Ringier-Schweiz-Chef Marc Walder habe es «erst gesehen, als Roger Schawinski bei ihm protestierte». Da hat Ringiers Medienanwalt dem (unbeholfenen) Angestellten beim Diktat bereits den Weg zu seiner eigenen Kündigung geebnet.

Der FAZ-Artikel des Schweizer Korrespondenten Jürg Altwegg im Wortlaut:

Ist Roger Schawinski ein geldgieriger Jude, der seine Kunden übervorteilt? Mit einer dicken Nase, prallgefüllten Hamsterbacken, auf dem Buckel ein schwerer Geldsack, in der Hand ein paar Geldscheine, mit denen er wedelt: So zeichnete die Boulevardzeitung «Blick» den Journalisten und Medienunternehmer, nachdem dieser seinen Radio- und Fernsehender in Zürich verkauft hatte. Dass diese Karikatur eine antisemitische ist, wird niemand bestreiten. Doch damals wurde der Skandal unter den Teppich gekehrt: In Sachen Antisemitismus ist die Schweizer Öffentlichkeit nicht sehr sensibel.

Jetzt kommt die Affäre wieder hoch. Nach seiner Rückkehr in die Schweiz kaufte Schawinski, der in der Zwischenzeit als Senderchef von Sat.1 gewirkt hatte, ein kleines Radioprogramm. Von der Regierung bekam sein neues Radio 1 kürzlich eine Sendeerlaubnis und Frequenz - auf Kosten von Ringiers Energy. Seither führt der Verlag eine Kampagne zur Rettung von Energy und einen Feldzug gegen Schawinski. Diesmal sitzt der Superreiche an einem Tisch und scheffelt Geldscheine. Mit dieser Illustration überspitzte der Ringier-Sender eine Werbebroschüre: «Warum mehr bezahlen?» Mit - falschen - Zahlen will Ringier belegen, dass Schawinski seine Kunden über den Tisch ziehe und für wenig Resonanz überhöhte Preise verlange. Man muss nicht übersensibilisiert sein, um in dieser Kampagne die Botschaft «Kauft nicht beim Juden» zu wittern.

Natürlich hat es keiner so gemeint. Der Verleger Michael Ringier war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Zwei Vertreter der Konzernspitze haben unverfroren erklärt, man werde sich bei Schawinski nicht entschuldigen und sehe einer Klage «gelassen» entgegen. Nicht auf Antisemitismus, sondern auf «unlauteren Wettbewerb» werde sie lauten, sagt Schawinski: «Als Haim Saban Pro Sieben Sat.1 mit zwei Milliarden Gewinn verkaufte, hat in Deutschland niemand irgendwelche antisemitischen Anspielungen gemacht.»

Tatsächlich müssten Karikatur und Kampagne in der Schweiz einen Skandal auslösen wie einst die Borer-Affäre. Aber das ist in der hitzegelähmten Öffentlichkeit keineswegs der Fall. Vielmehr wird Schawinski schon ein bisschen unterstellt, er übertreibe wieder einmal gewaltig. Wie das Urteil lauten wird, interessiert wohl nicht einmal die Beteiligten. Es geht um sehr viel mehr, und mit seinem schlechten Krisenmanagement schiesst Ringier auch noch ein zweites Eigentor: Der anhängige Widerspruch, mit dem eine UKW-Frequenz noch erstritten werden soll und dank dessen aufschiebender Wirkung Energy bis Ende des Jahres auf Sendung bleibt, ist von jetzt an politisch chancenlos. Ohne dass Schawinski viel dafür tun musste.