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Dienstag
06.04.2010

Müssen sich Internetnutzer entscheiden, ob sie Anzeigen akzeptieren oder für Werbung zahlen wollen, ziehen die meisten Nutzer Werbung vor. Allerdings verweigern immer mehr User beides - und gefährden so die kostenlosen Angebote im Netz.

Spiegel Online hat den PEW Project for Excellence in Journalism veröffentlicht. Dieser liefert jährlich die Inventur der amerikanischen Medienbranche. Der Bericht heisst: «The State of the News Media» (Der Zustand der Nachrichtenmedien).

Es ist eine Krankenakte, die Dokumentation eines fortschreitenden Verfalls. Noch ist der Patient nicht tot, aber längst abhängig von lebensrettenden Massnahmen und Intensivpflege. Auch nach diversen Amputationen, so der Tenor des Berichts 2010, ist er längst nicht außer Gefahr.

Die Probleme des US-Patienten lassen sich in einigen Punkten zusammenfassen, und natürlich sind auch die Medien im Rest der westlichen Welt längst angesteckt. Die Symptome der Medienkrise: Der seit Jahren schwächelnde Werbemarkt ist in der Krise regelrecht kollabiert.

Medien müssen sich statt aus Werbeumsätzen zunehmend aus Verkaufs- und Vertriebserlösen refinanzieren, werden also teurer. Der Kunde ist aber nur bedingt zahlungsbereit. Das bedeutet unter dem Strich ein Umsatzminus (US-Zeitungen 2009: Minus 26 Prozent in einem Jahr).

Medien können aufgrund der einbrechenden Umsätze auch weniger in die Qualität des Angebots investieren, weil ihnen schlicht die Puste ausgeht. 2009 gaben US-Medien 1,6 Milliarden Dollar weniger für Redaktionen aus als vor zehn Jahren; immer mehr Journalisten wechseln von festen in freie Beschäftigungsverhältnisse.

Die Werbe-Etats im sogenannten Media-Mix verschieben sich zunehmend von Offline- zu Online-Medien, zugleich aber bucht und bezahlt die Werbewirtschaft online weniger als offline: Der Werbekuchen schrumpft, obwohl die Reichweite steigt.

Die Hauptnutzniesser von Werbung online sind nicht Medien, sondern Dienstleister, die zu Werbeträgern wurden: 42 Prozent der weltweiten Online-Werbeumsätze fliessen allein Google zu. Insgesamt landen laut Zenith Optimedia, Teil des zweitgrößten Media-Agenturnetzwerks Publicis, 53 Prozent der weltweiten Web-Werbegelder bei den Suchmaschinen.

Online-Medien sind nicht einfach nur ein neues Medium im Angebot, sondern haben das Potential, alte Medien zu ersetzen und tun dies zunehmend auch. Besonders Tageszeitungen verlieren immer mehr Leserschaft an News-Webseiten.

Damit ist das Krankheitsbild beschrieben. Aus Online-Sicht fehlt nur noch ein Punkt, den Online-Medien höchst ungern thematisieren: Werbeblocker-Programme, die Werbung aus Webseiten ausblenden.

Die Refinanzierung eines Online-Nachrichtenangebotes hängt fast vollständig von der Werbung ab. Aber auch in den USA, wo online mehr Werbegelder fließen als in Europa, kippt der Online-Werbemarkt wieder ins Minus. Nicht nur der Medienunternehmer Rupert Murdoch denkt deshalb über die augenscheinlich einzige Alternative nach: Online-Inhalte zu bepreisen.