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Montag
17.05.2010

TV / Radio

Ab sofort können Zuhörerinnen und Zuhörer der Schweizer Alternativradios wieder Bands wie Tocotronic, Element of Crime, Rammstein oder Polarkreis 18 hören.

Möglich gemacht hat das Motor-Music-Gründer Tim Renner. Der Chef des deutschen Plattenlabels hat am Auffahrtstag eine seiner Mitarbeiterinnen mit einem Hilfspaket zu verschiedenen Schweizer Radiosendern geschickt. «Wir sind sehr froh, dass uns Tim Renner in unserem Kampf für Gratisbemusterung unterstützt», erklärte der Radiomacher und Unikom-Vertreter Leo Niessner gegenüber dem Klein Report. «Nachdem verschiedene Alternativradios bei Motor Music um CDs gebeten haben, die sie bei den vier grossen Schweizer Labels nicht mehr erhalten, hat sich Tim Renner spontan solidarisch gezeigt.»

Sony, EMI, Warner Music und Universal haben die Gratisbemusterung der Schweizer Radiostationen per Ende März eingestellt. Stattdessen wollen sie Sender und Radiojournalisten dazu zwingen, sich bei der kostenpflichtigen und von Journalisten bereits heftig kritisierten Internet-Plattform Musik Promotion Network (MPN) anzumelden. Hier können Medienschaffende via Download das Repertoire mehrerer grosser Plattenfirmen abrufen.

Leo Niessner findet die Idee im Ansatz gut. «Es ist mir bewusst, dass den Plattenfirmen das Geld immer mehr fehlt, um CDs per Post zu verschicken. Wir wehren uns ja auch nicht gegen die Bemusterung auf digitalem Weg, zum Beispiel mit Downloads», erklärt er.

Er stört sich allerdings daran, dass selbst werbefreie Radiostationen neu zusätzlich zu den Urheberrechtsabgaben weitere Tausende Franken für das Musikangebot von vier grossen Labels ausgeben sollen, das nur zu einem Bruchteil für die Sender interessant ist. «Wir machen immerhin Werbung für CDs und Konzerte. Dafür sollen und wollen sich die Unikom-Radios nicht ruinieren», so Niessner.

Konkret kostet allein der Zugang zur MPN-Plattform jedes Alternativradio jährlich bis 2000 Franken. Hinzu kommen weitere 3000 bis 4000 Franken, die jede Station jährlich für eine Internet-Standleitung ausgeben müsste. Voraussetzung für einen MPN-Zugang ist nämlich eine fixe IP-Adresse mit Standleitung ins Studio. Viele Zuhörer, Musikschaffende und Konzertveranstalter hätten den Alternativradios mitgeteilt, dass sie Verständnis für den Kampf für Gratisbemusterung haben. Zumal die Plattenfirmen ihre Zusammenarbeit mittlerweile auch in weiteren Bereichen aufgekündigt haben. «Sie ermöglichen uns auch keine Künstlerinterviews oder sonstige Partnerschaftsangebote mehr», bedauert Niessner.

Nachdem er sich als Vertreter der Unikom-Radios lange vergeblich um eine Lösung mit den Labels bemüht hat, wartet er nun einen neuen Vorschlag von Sony, EMI, Warner Music und Universal ab. «Wenn wir jetzt nachgeben, ist die Gefahr gross, dass künftig auch weitere Labels Geld von uns verlangen», so Niessner.

«Ausgerechnet ein Punk-Label, das noch nicht einmal den Geschäftsbetrieb aufgenommen hat, hat uns gegenüber angetönt, sonst für seine Musikbemusterung ebenfalls Geld zu verlangen.» Vorerst ist dies aber die Ausnahme. «Mit den meisten kleinen Labels ist die Zusammenarbeit nach wie vor toll. Sie schicken uns seit unserem Streit mit den vier Major-Labels mehr CDs zu denn je», sagt Niessner.

Für folgende Unikom-Radiostationen ist die MPN-Lösung zu teuer: Radio 3fach (Luzern), Kanal K (Aarau), toxic.fm (St. Gallen), Radio X (Basel), Vibration 108 (Sion), Radio Cité (Genf), Radio Industrie (Zug), Radio Lora (Zürich), Radio Blind Power (Bern), Radio RaBe (Bern), Radio RaSa (Schaffhausen) und Radio Stadtfilter (Winterthur) sowie für die Indie-Team-Musikpresse-Agentur von Leo Niessner, die für verschiedene Sender rund acht Programmstunden pro Woche produziert.