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Dienstag
28.02.2023

Werbung

Eltern haben kaum die Möglichkeit, ihre Kinder vor Werbung zu schützen. Auf diese prasseln pro Tag rund 15 Werbespots für ungesunde Nahrung ein...             (Bild: BMEL))

Eltern haben kaum die Möglichkeit, ihre Kinder vor Werbung zu schützen. Auf diese prasseln pro Tag rund 15 Werbespots für ungesunde Nahrung ein... (Bild: BMEL))

Im Schnitt 15 Werbespots täglich für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt sehen Kinder, die Medien nutzen. Die Mediennutzung ist bei 70 Prozent der 3- bis 17-Jährigen seit Beginn der Corona-Pandemie angestiegen.

Solche Zahlen sind auf der Webseite des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft in Deutschland zu lesen.

Dessen Bundesminister Cem Özdemir hat nun am 27. Februar seine Pläne für klare und verbindliche Regeln für Lebensmittelwerbung vorgestellt, die sich an Kinder richtet. Damit setzt das BMEL einen Auftrag aus dem Koalitionsvertrag um, wie es auf der Webseite des Ministeriums heisst.

Denn an Kinder gerichtete Lebensmittelwerbung «preist sehr häufig hochverarbeitete Lebensmittel an, die zu viel Zucker, Fett oder Salz enthalten». Deren Verzehr trage zu vielen Erkrankungen bei, «die hohe, gesellschaftliche Kosten verursachen». Die gesamtgesellschaftlichen direkten und indirekten Kosten von Fettleibigkeit werden in Deutschland auf etwa 63 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt.

Lebensmittelwerbung habe einen nachhaltigen Einfluss auf das Ernährungsverhalten bei Kindern unter 14 Jahren. «Sie sind besonders empfänglich für Werbung. Eltern haben kaum die Möglichkeit, ihre Kinder vor Werbung zu schützen. Dabei wird gerade im Kindesalter Ernährungsverhalten entscheidend für das weitere Leben geprägt», schreibt das Ministerium.

Um Kinder zu schützen und Eltern im Alltag zu entlasten, soll sich Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt «in allen relevanten Medien nicht mehr an Kinder richten dürfen».

Bisherige freiwillige Selbstverpflichtungen und Branchenregeln «konnten Kinder nicht effektiv vor negativen Werbeeinflüssen schützen», ist der grüne Bundesminister überzeugt.

Er argumentiert mit Zahlen. So seien durchschnittlich 92 Prozent der Lebensmittelwerbung, die Kinder in Internet und TV wahrnehmen, für Produkte wie Fast Food, Snacks oder Süssigkeiten.

Eine zunehmend grosse Rolle spielen die sozialen Medien und die Lebensmittelvermarktung durch sogenannte Influencer. Auch eine Studie der Medizinischen Universität Wien kam zu dem Ergebnis, dass «77 Prozent der beworbenen Lebensmittel laut WHO aufgrund ihres hohen Zucker-, Fett- oder Salzgehaltes nicht gegenüber Kindern und Jugendlichen vermarktet werden sollten».

Kinder und Jugendliche verzehren etwa doppelt so viele Süsswaren und Snacks und nur halb so viel Gemüse und Obst wie empfohlen.

In den Plänen für eine regulierte Werbung wird nun verlangt, dass an Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt in allen für Kinder relevanten Medien nicht mehr zulässig ist. Ebenso an Kinder gerichtete Aussenwerbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt.

Das Verbot für Werbespots soll zwischen 6 und 23 Uhr gelten. Aussenwerbung darf nicht mehr innerhalb von 100 Metern in der Nähe von Schulen oder Freizeiteinrichtungen für Kinder angebracht werden. Ebenso unzulässig sollte an Kinder gerichtetes Sponsoring aus diesem Sektor der Lebensmittel sein.

Özdemir will Werbung für «Junkfood» auch in Zeitungen, Zeitschriften und Broschüren verbieten, wenn sie sich von der Aufmachung her offensichtlich an Kinder richtet.

Die Deutsche Adipositas-Gesellschaft erklärte, Özdemir sei «ein grosser Wurf gelungen», wie die «Tagesschau» der ARD am Montag berichtet.

Die Sprecherin der «Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten» und Geschäftsführerin der Deutschen Diabetes Gesellschaft, Barbara Bitzer, nannte die Pläne Özdemirs einen «Meilenstein» für die Kindergesundheit.

Widerstand gibt es hingegen von FDP und Koalition. Der agrarpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Gero Hocker, kündigte an, Özdemir werde innerhalb der Koalition «keine Mehrheit finden». Er verfolge anscheinend das Ziel, «aus jedem unmündigen Kind einen unmündigen Bürger werden zu lassen».

Laut dem Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft soll der Gesetzentwurf im ersten Quartal 2023 mit den anderen Ressorts der Bundesregierung abgestimmt werden. Die Bundesländer und Verbände sollen konsultiert und Stellungnahmen ausgewertet werden.