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Freitag
28.11.2003

Mit einer gemeinsamen Aktion haben neun deutsche Tageszeitungen am Freitag den wachsenden Einfluss von Politikern auf die Berichterstattung kritisiert. Mit einem geschwärzten Interview als Aufmacher und einer Sonderseite prangerte die «tageszeitung» («taz») an, wie Politiker im Nachhinein in die Veröffentlichung von Gesprächen eingriffen. Nach Ansicht der Zeitungen wird das «Autorisieren» zunehmend missbraucht. Anlass für die Aktion war das Interview eines «taz»-Redaktors mit SPD-Generalsekretär Olaf Scholz. Im Nachhinein sei das Interview nicht freigegeben worden, weil die Fragen «zu pfeffrig» seien, zitierte die «taz» eine Mitarbeiterin des Generalsekretärs. Vom «Interview als missbrauchte Form des Journalismus» schrieb die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» («FAZ»), die «taz» gar vom «Betrug am Anspruch einer freien Presse».

Für die «Financial Times Deutschland» («FTD») verstossen die Korrekturen am einmal Gesagten im Nachhinein «gegen die journalistische Pflicht zu sachgerechter Information». Das nachträgliche «Absegnen» von Zitaten vor der Veröffentlichung, das so genannte Autorisieren, sei in vielen anderen Ländern unbekannt, schrieb die «FTD» auf einer Sonderseite. Die an der Aktion beteiligten Printmedien beklagten den Unterschied zu Radio und Fernsehen. «Ist aber erst mal eine Kamera eingeschaltet, wird geredet und geredet - von Autorisieren keine Spur», berichtete die «Süddeutsche Zeitung» («SZ»). Regierungssprecher Béla Anda bezeichnete die Aktion als «sinnvolle Debatte für beide Seiten». Die Praxis habe sich bewährt, dass ein Politiker ein Interview vor Veröffentlichung autorisiere, weil die Worte in den meisten Fällen nicht identisch wiedergegeben würden.

Das Verhältnis von Politik und Journalismus sei in Berlin zunehmend von Misstrauen geprägt, schrieben einige Zeitungen. Falls sie etwas Gesagtes trotz Einspruch veröffentlichten, droht ihnen nach Angaben der «taz» der Ausschluss aus vertraulichen «Hintergrund-Kreisen», zu denen Politiker Journalisten persönlich einladen. Neben der «taz», «FTD», «SZ» und «FAZ» beteiligten sich auch «Die Welt», die «Frankfurter Rundschau» der «Kölner Stadtanzeiger», «Der Tagesspiegel» und die «Berliner Zeitung» an der Aktion.