Die Alibiübung war rasch beendet: Nicht Ringier, wie man seit längerem in der Branche munkelte, sondern die Deutsche Bank selbst hat das von Leo Kirch stammende Aktienpaket am Hamburger Axel Springer Verlag gekauft. Bei der Versteigerung in Frankfurt war die Bank die einzige Bieterin für den 40-Prozent-Anteil - vorläufig zumindest! So dauerte es nur wenige Minuten, bis der zuständige Notar Karl-Heinz Schmiegelt der Bank den Zuschlag für insgesamt 13,6 Millionen Springer-Aktien zum Kaufpreis von 667,277 Millionen Euro gab. Das Mindestgebot lag damit exakt beim Kassakurs vom Dienstag in Höhe von 49 Euro je Aktie.
Bereits bestätigt wurde, dass die Beteiligung am Springer-Verlag für die Deutsche Bank nur vorübergehender Natur ist. Sie wird das gesamte Springer-Paket veräussern, wenn attraktive Angebote vorliegen, wie ein Bank-Sprecher sagte. Geplant sei, 10% am Springer-Verlag an die Verleger-Witwe Friede Springer zu verkaufen, die ihren Anteil damit auf rund 60% aufstocken wolle. Entsprechende Gespräche mit Friede Springer seien bereits im Gange. Beobachter halten zudem eine Veräusserung der verbleibenden 30 % der Springer-Aktien an den Ringier Verlag für möglich.
Durch die Versteigerung wollte die Bank nach Einschätzung aus Branchenkreisen auch Druck auf den Schweizer Medienkonzern Ringier ausüben, wie die «Financial Times Deutschland» am Dienstag schrieb. Springer befindet sich in zähen Verhandlungen mit Ringier über eine Fusion per Überkreuz-Beteiligung zum grössten europäischen Zeitungshaus. Dabei soll Springer Ringier vollständig übernehmen und die Schweizer im Gegenzug den ehemaligen Kirch-Anteil kaufen. Zuletzt drehten sich die Gespräche um den Preis für das Aktienpaket beziehungsweise den Ringier Verlag und den jeweiligen Einfluss. Bei Ringier war am frühen Dienstagnachmittag kein Kommentar zu erhalten. hignegen bestätigte eine Springer-Sprecherin auf Anfrage von «Die Welt»: «Wir sprechen weiter miteinander.»
Kirch hatte die Springer-Beteiligung bei der Bank als Sicherheit für einen Kredit über 720 Mio. Euro hinterlegt, den er nicht zurückzahlen kann. Der Marktwert des Pakets beträgt derzeit noch 680 Mio. Euro. Kirch wird bis 2004 zwar noch im Springer-Aufsichtsrat sitzen - seine Macht als Aktionär hat der angeschlagene Filmrechtehändler nun endgültig verloren. Alles zur Kirch-Pleite im Archiv
Dienstag
08.10.2002