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Sonntag
02.12.2007

Unter dem Titel «Grosszügigkeit nimmt kein Ende» macht sich der ehemalige Fernsehdirektor Peter Schellenberg auf der Medienseite im «Sonntag» Gedanken über die neue Konzession, die der Bundesrat am 28. November der SRG erteilt hat. «Die SRG bekommt eine neue Konzession für zehn Jahre und verkündet ihr Wohlwollen. Und die Grosszügigkeit nimmt kein Ende. Der zentrale Vereinspräsident erklärt sich bereit, mit den Behörden über die künftige Organisation zu diskutieren. Der Berg SRG geht zum Zentralstaatsmassiv. Man wird sich finden», so Schellenberg in seiner Kolumne.

«Vor unserer Haustür sind seit Jahrzehnten zwei extreme Modelle des elektronischen Service public zu beobachten. Der französische Zentralismus (bis in die 80er sogar offiziell ein Staatsfernsehen) und der deutsche Föderalismus (Konrad Adenauer scheiterte 1961 an der Kulturhoheit der Länder, als er gegen den `Rotfunk` ARD ein Bundesfernsehen einrichten wollte). Die Franzosen initiierten nach der Privatisierung von TF 1 halbherzige Dezentralisierungen, Paris diktierte weiter. Deutschland schuf die 3. Programme, die Bundesländer bestimmten, der Zentralstaat blieb aussen vor.»

Dann nimmt sich Schellenberg die Schweiz zur Brust ... «Und im Land der Föderalismuserfinder? Bei uns? Als 1987 der Verfassungsartikel vom Volk angenommen wurde, standen die Kantone abseits. Sie balgten sich mit Inbrunst um den koordinierten Schulanfang - die Kulturhoheit in den elektronischen Medien aber überliessen sie diskussionslos dem Bund. Damit waren die Tore zur Zentralisierung weit geöffnet. Bundesrat Adolf Ogi richtete das Bakom ein, und die SRG entledigte sich des lästigen Föderalismus mit einer massiven Verkleinerung der Gremien. Pluralismus adieu. Der Föderalismus beschränkt sich auf die Sprachregionen. Die Deutschschweizer Kantone eine uniforme Einheit? Bis heute kommen sie nur noch als Bittsteller vor.»

«Bundesrat Ogi machte von der neuen Kompetenz umgehend Gebrauch und schuf, lediglich vom Bundesrat abgesegnet, ein zweites, ideologisch gefärbtes Programm `gegen den Geist von Leutschenbach`. Die SRG und ihre Gremien, von der Angst getrieben, jemand anderer könnte die Konzession bekommen und ihre Macht und die Budgets schmälern, akzeptierten den ungeheuerlichen Eingriff in die Programmunabhängigkeit.»

«Und jetzt? Die Erteilung der neuen Konzession wurde bis zum letzten Moment hinausgezögert und mit ein paar ulkigen Populismen ergänzt (Volksmusik auf DRS 1!). Offenbar gabs im Bundesrat Differenzen, wobei einmal mehr vor allem die Deutschschweiz verhandelt wurde. Denn letztlich wurde immer sie `nationalisiert`; die Westschweiz, das Tessin und neuerdings auch die Rätoromanen beschränken sich aufs Geldabholen in Bern.»

Wer kontrolliert eigentlich die SRG? Kolumnist Schellenberg bleibt dran und denkt weiter ... «Zwar hat man erkannt, dass eine unabhängige, pluralistische Service-public-Aufsicht durch die Trägerschaftsspitzen nicht wahrgenommen wird. Diese sind integraler Bestandteil der Institution SRG. Nur: Eine unabhängige Aufsicht hätte in die Konzession gehört und nicht in (bilaterale?) `Gespräche`. Die neue Sendeerlaubnis hat die SRG, und die Organisationsfreiheit bleibt bestehen.»

Peter Schellenbergs Fazit im «Sonntag» der Mittelland-Zeitungen: «Der Zentralismus ist zementiert und das Bakom, das sich heute schon sporadisch als Programmaufsicht fühlt, wird wohl gern in die Lücke springen. Andernorts nennt man das Staatsfernsehen.»