Auf Einladung des Europa-Instituts der Universität Zürich hat am Donnerstag ab 17 Uhr der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski Fragen der Studierenden aus Zürich beantwortet.
Eigentlich sollte er eine Rede zum Thema «Krieg in Europa und die globale Sicherheitsarchitektur» halten. Doch Kommunikation in Kriegszeiten ist eine schwierige Sache. Nicht nur auf diplomatischer Ebene. Auch technisch.
So konnte um 17 Uhr anfänglich keine Tonverbindung in die Ukraine hergestellt werden. Nur Lippenleser konnten Selenskis Worten folgen. Später wurde der Ton auch mit der englischen Simultanübersetzung immer wieder unterbrochen. Selenski hat sich deshalb dazu entschlossen, statt seiner vorbereiteten Rede einzelne Fragen zu beantworten. Diese haben ihm die Studierenden aus Zürich bereits im Vorfeld schriftlich zustellen können. Wenigstens ein Teil der Antworten konnten so ihr Publikum finden.
Selenski nahm die Panne mit Humor. Der Präsident verabschiedet sich mit einem Witz über die technischen Schwierigkeiten, er würde der Schweiz IT und Sound-Spezialisten schicken. Er beklage sich aber nicht, er hätte so eine Möglichkeit gehabt, sein Englisch zu üben.
Seit Kriegsbeginn richtete sich Selenski immer wieder an ein internationales Publikum. Zuletzt sprach er am Mittwoch an der Harvard-Universität in Cambridge an der Ostküste der Vereinigten Staaten.
In der Schweiz war er erstmals bei der Eröffnung des Weltwirtschaftsforums in Davos im Mai 2022 zu hören.
Auf eine Frage, was er von der Schweiz halte, erklärte der Ukrainer, dass er sich an einen Besuch am Genfersee erinnere. Heute würde er «alles geben, damit wir wie die Schweiz leben können».
Zur Frage der Neutralität meinte er, dass er diese respektiere. Aber: «Wenn man zwischen gut und schlecht wählen muss», sei jetzt vielleicht der Moment für einen Wechsel gekommen.
Den Krieg in seiner Heimat brachte Selenski auf den Punkt mit der Frage: «Do you fight oder do you prefer to flight?»
Als Selenskis Rede zu Beginn mit der legendäreren Rede von Winston Churchill 1946 in Zürich verglichen wurde, wollte er die Blumen an sein Volk weitergeben.
Im Publikum befand sich auch Alt Regierungsrat Markus Notter. Dieser ist Präsident des Europa-Instituts. Der ebenfalls anwesende Regierungsrat Mario Fehr wollte von Selenski wissen, wie dieser trotz des Krieges immer noch so optimistisch sei und auch lachen könne. Selenski antwortete, dass vor allem der unermüdliche Kampf seiner Landsleute ihn optimistisch stimme. Auch die Reaktionen von Europa und der Welt würden ihn positiv stimmen. «Auch die Fragen von euch, von Ihnen, stimmen mich positiv. Wir inspirieren uns gegenseitig – das freut mich.» Dafür gab es wie für andere Antworten Applaus aus dem prallvollbesetzten Hörsaal.
Auf die Frage, was Selenski seinen Kindern nach dem Krieg erzählen werde, meinte dieser, es gebe keine Kinder mehr. «Mein Sohn ist neun Jahre alt. Dieser Krieg hat ihn verändert. Er spricht nicht mehr über Spielzeuge – er spricht über erwachsene Sachen. Alle Eltern in der Ukraine erleben das. Ihre Kinder fragen sie: 'Wann stirbt Präsident Putin?' Das ist nicht gut. Russland hat unseren Kindern die Kindheit gestohlen.»
Zur russischen Bevölkerung meinte er, diese könne jetzt nicht einfach sagen, dass das nicht ihr Krieg sei. «Sie haben monatelang weggeschaut. Wenn Putin sagt, dass er auch Nuklearwaffen benutzen könnte, sehe ich keine Massenproteste in Russland. Das zeigt mir, dass es tiefgreifende Probleme gibt».
Schliesslich hegte der Kriegs-Präsident keinen Zweifel dran, dass die Ukraine in die EU gehöre. Mit dem Kandidatenstatus habe man bereits einen ersten wichtigen Schritt gemacht. Zudem wünsche er sich Sicherheitsgarantien für die Ukraine, auch wenn ein Nato-Beitritt momentan eher schwierig sei.