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Dienstag
12.11.2013

Medien / Publizistik

© Kafi Navi

© Kafi Navi

Was früher unter dem profanen Begriff der Leserbindung fungierte, gehört heute als Community zu den Zauberwörtern der Zeitungsbranche auf der Suche nach ihrer Rolle im Zeitalter von Web 2.0. Aus passiven Leserinnen und Leser sollen aktive Co-Produzenten der Zeitung werden.

Interessant ist, dass die durch die Social Media ausgelöste Community-Strategie nun auch in der realen Welt umgesetzt werden soll: Die Basler «TagesWoche», welche sich die Partizipation ihrer Community in besonders grossen Lettern auf die Fahne geschrieben hat und mit Felicitas Blanck neuerdings sogar eine eigene Community-Redaktorin beschäftigt, lud ihre Leserinnen und Leser zum ersten Community-Treffen ins Basler Kaffeehaus Mitte ein, also in der wirklich wirklichen, realen Welt.

Der Leser nicht mehr als Avatar in der Onlinesphäre, sondern als real existierende Person - für manchen Journalisten vermutlich ein denkwürdiges Erlebnis. Es ist einfach, einen User mit einem Klick auf inaktiv zu setzen - schwieriger wird es, wenn dieser, wie letzten Donnerstag geschehen, plötzlich mit dem Mikrofon in der Hand dasteht und fragt, weshalb er von der «TagesWoche» ein «Schreibverbot» erhalten habe. Auf eine offizielle Antwort der Verantwortlichen wartete der User, der sich als realer Mensch entpuppte, übrigens vergeblich.

Rund 100 Gäste vermeldete die «TagesWoche» in der Berichterstattung über den eigenen Anlass, wobei die Trennlinie zwischen Teilnehmenden der Veranstaltung und normalen Kafeehaus-Gästen nicht scharf gezogen werden konnte. Fünf Rednerinnen und Redner hatten sich für einen der fünfminütigen Slots angemeldet, um ihre Meinung zur «TaWo» zu äussern: Christof Moser, Bundeshausredaktor bei der «Schweiz am Sonntag», Thom Nagy vom Innovationslabor der «Neuen Zürcher Zeitung» sowie die Community-Mitglieder Michèle Meyer, Regina Rahmen und Christoph Meury.

An die «Vollversammlungen» der linksalternativen Szene der 1980er-Jahre oder die grossbürgerlichen Salons des 19. Jahrhunderts fühlten sich einige Gäste erinnert - bei einigen der brav in Schriftdeutsch vom Blatt abgelesen Statements kam allerdings eher Volkshochschule-Groove auf. Auch sonst litt die erste Ausgabe des Anlasses noch an einigen Kinderkrankheiten: Die Voten der Rednerinnen und Redner waren im Gemurmel des Kaffeehauses nur schwer verständlich, sodass man froh ist um die Audio-Aufnahmen der Statements, welche die «TaWo» online zur Verfügung stellt.

Inhaltlich waren die einzelnen Voten mässig interessant. Die «TagesWoche», welche als Gegenentwurf zur Blocher-finanzierten «Basler Zeitung» nach wie vor Goodwill geniesst in der tendenziell linksliberalen Basler Bevölkerung, erhielt vor allem viel Lob und einige eher unrealistische Verbesserungsvorschläge. Pikant wurde es erst, als Regina Rahmen bei der Redaktionsleitung bezüglich Mathieu Klee nachfragte. Klee, der wie kein zweiter bei der «TaWo» für Recherchierjournalismus gestanden hatte, war im September vom neuen «TaWo»-Redaktionsleiter Dani Winter entlassen worden. Interessant auch der Input von Christoph Meury, der die «TaWo» dazu aufrief, nicht nur über die Stadt Basel, sondern vermehrt auch über die Agglomeration rund um die Stadt zu berichten.

Fazit: Die «TagesWoche» wagt mit ihren Community-Treffen ein spannendes und mutiges Experiment. Man darf gespannt sein, wie sich der Anlass, der regelmässig durchgeführt werden soll, in den kommenden Monaten entwickeln wird.