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Freitag
16.12.2016

Vermarktung

Kaum zu glauben, was in den letzten knapp sieben Tagen alles von der Publicitas zu hören war: Vor einer Woche verkündet die Investmentfirma Aurelius, dass sie die Publicitas an den bestehenden CEO Joerg Nuernberg und den CFO Carsten Brinkmeier veräussert hat.

Es wurden Einsparungen bei den Lohnkosten bekannt, das Personal verzichtete auf mindestens zehn Prozent Gehalt. Dann musste zugegeben werden, dass nun doch nützliche Tools per Mitte 2017 eingestellt werden. Nun wurde noch der Abgang des Chefs von Publicitas Schweiz Wolfgang Schickli publik. Ungünstiger kann die «Rettung» einer Firma nicht laufen.

Die Branche traf die Nachricht vom «Verkauf» einen Tag nach dem Publicitas-Kunden- und -Mitarbeiterfest doch ziemlich unerwartet. Die Publicitas-Mitarbeiter vermuten nun, dass ihr Einverständnis, auf mindestens zehn Prozent Lohn zu verzichten, mit dem Kaufpreis gleichzusetzen ist. Was den Übernahmeprozess beschleunigt hat. Sonst hätten die beiden Ex-Aurelius-Manager Nuernberg und Brinkmeier wohl kaum die Verantwortung für das Unternehmen auf eigene Rechnung übernommen. 

So günstig kommt man selten an eine Firma respektive wird man ein Problem los - je nach Perspektive. Doch was nun? Die Publicitas, kurz P, ist immer noch in Schieflage. Die Investmentexperten von Aurelius hatten wohl gute Gründe, sich vom Sorgenkind zu trennen. Gescheiterte Firmensanierungen sind schlecht fürs Image. Die Beziehungen zwischen Nuernberg und Aurelius scheinen gegen Ende auch eher schwierig gewesen zu sein. Eine Trennung kam wohl beiden Seiten gelegen.

Nachdem der Klein Report die Einstellung des bei den Mediaagenturen beliebten AdPlanning Tools publiziert hatte, meldete sich auch CEO Nuernberg persönlich zu Wort. «Wir haben kein Cashflow-Problem, sondern ein Ergebnisthema». So so. Je nachdem, wie man ein «Ergebnisthema» managt, wird aber schnell ein Cashflow-Problem daraus. Die Klagen über nicht oder viel zu spät bezahlte Verlagsrechnungen sind kaum alles nur Gerüchte. Wie zu vernehmen ist, haben inzwischen auch Agenturen verlangt, dass noch ausstehende Provisionen sofort zu begleichen sind. Einige Verlage wenden sich inzwischen auch direkt an die Werbeauftraggeber, welche ihrerseits nun das Gespräch mit der P suchen. Denn die Werbeauftraggeber haben der P dieses Geld längst überweisen. Das tönt aber doch ziemlich nach Liquiditätsproblemen.

Der Verzicht auf das rege genutzte Online-Planungstools AdPlanning ist schwer zu verstehen. Damit verschenkt sich die P die Chance, die Umsätze der Mediaagenturen und Direktkunden zu sichern. In einer Zeit, in der im Markt nach Programmatic Advertising und Automation der Buchungsabläufe gesucht wird, wären solche Assets Gold wert. Es wären aber Investitionen nötig, um AdMarket zur nationalen Buchungsplattform und vermarktungsneutralen Alternative zu Admeira und Tamedia auszubauen.

Die Auslagerung der Backoffice-Aufgaben ins Service Center in Bratislava sind in diesem Kontext kaum eine brauchbare Lösung, sondern verursachen noch mehr Probleme. Die Kosten pro Auftrag seien nicht wirklich niedriger als vorher. Wenn man die Qualität der Dienstleistung berücksichtigt, welche eher bei 50 Prozent statt bei den von Nuernberg erwähnten 110 Prozent zu liegen scheinen, ist auch das ein Verlustgeschäft. Das Know-how für das Service Center kommt aus der Schweiz. Die Umsetzung in Bratislava scheint aber doch nicht so einfach, wie sich das die Herren Nuernberg und Brinkmeier vorgestellt haben. Auch der Weiterverkauf der Dienstleistungen an Schweizer Verleger ist gemäss Insidern im Sommer kläglich gescheitert. Ein Schweizer Grossverlag hatte dem Vernehmen nach einen Test nach nur zwei Wochen «wegen schwerwiegender Qualitätsmängel» eingestellt. 

Auch der im Interview von Nuernberg erwähnte «grosse Spirit und die Loyalität der Mitarbeitenden» sieht bei einem lokalen Augenschein eher nach Trübsal und Verunsicherung aus. Wer kann, der geht. So auch der Schweizer CEO Wolfgang Schickli, der als nächster das havarierte Publicitas-Schiff verlässt. Die Formulierung, der CFO Brinkmeier sei nun daran, «in den nächsten Monaten eine Nachfolgelösung vorbereiten zu können», tönt nicht wirklich vertrauenserweckend.

Schade, es ist wirklich schade um die einstige Perle der Schweizer Werbegesellschaften. Die Chancen, dass sie die nächsten zwölf Monate überlebt, stehen schlecht.