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Freitag
13.07.2012

Der Presserat hat eine Beschwerde von Rudolf Elmer gegen die «Weltwoche» teilweise gutgeheissen: Autor Alex Baur hat in einem Artikel die Ziffer 3 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten», die Anhörungspflicht bei schweren Vorwürfen, verletzt. Dies, weil er es unterlassen hatte, den Standpunkt des Beschwerdeführer in seinem Text abzubilden. Eine kleine Rüge, die berechtigt sei, wie Baur am Donnerstag gegenüber dem Klein Report sagte.

Im Artikel «Ehrenhafte Verräter», erschienen in der «Weltwoche» vom 12. Januar, hatte Baur über Fälle von Whistleblowing berichtet. Unter anderem griff er den Fall des ehemaligen Julius-Bär-Angestellten Rudolf Emler auf. Dieser hatte 2008 Kundendaten der Bank an verschiedene Steuerämter und an Wikileaks weitergegeben. Dafür ist Elmer in erster Instanz vom Bezirksgericht Zürich wegen Verletzung des Bankgeheimnisses, Drohung und Nötigung verurteilt worden - allerdings ist das Verfahren nach wie vor hängig, da sowohl Elmer als auch die Staatsanwaltschaft das Urteil weitergezogen haben.

In seinem Artikel bezeichnete Baur den Angeschuldigten als «Datendieb und Erpresser» und schrieb: «Der ehemalige Mitarbeiter der Bank Julius Bär hatte auf den Cayman Islands vermeintlich brisante Kundendaten geklaut, mit denen er seinen (ehemaligen) Arbeitgeber zu erpressen versuchte.» Nachdem die Bank sich nicht habe erpressen lassen, so Baur, habe Elmer die Daten an diverse Redaktionen und schliesslich an Wikileaks verschickt. «Bislang», schloss der «Weltwoche»-Journalist, «hat freilich kein Journalist die Informationen verwendet, was darauf hinweist, dass sie nicht von öffentlicher Brisanz sind.»

Weil es die «Weltwoche» unterlassen hatte, ihn vor der Veröffentlichung des Artikels anzuhören, beschwerte sich Elmer daraufhin beim Presserat wegen Verletzung der Ziffer 3 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten», der Anhöhrungspflicht bei schweren Vorwürfen. Und weiter habe die «Weltwoche» durch die Nennung seines Namens und die Bezeichnungen «Datenbieb» und «Erpresser» die Ziffer 1 der «Erklärung», die Wahrheitspflicht, sowie seine Privatsphäre (Ziffer 7) und Menschenwürde (Ziffer 8) verletzt und seinen Ruf geschädigt.

Baur stelle sich gegenüber dem Presserat auf den Standpunkt, dass es nicht nötig sei, einen Beschuldigten bei einem Bericht, der sich auf ein Gerichtsurteil stützt, noch einmal zu den Vorwürfen anzuhören. Und dass die Bezeichnungen «Dieb» und «Erpresser» nicht im streng juristischen Sinne zu interpretieren seien. Massgebend sei hier vielmehr, was das Publikum im konkreten Kontext darunter verstehe.

Im zweiten Punkt gab der Presserat dem Journalisten recht: Massgebend sei die umgangssprachliche Bedeutung, die auch Handlungen und Sachverhalte umfasse, die nicht unter strafrechtliche Tatbestände fallen. Damit habe die «Weltwoche» die Ziffer 1 nicht verletzt; auch sei Elmer nicht in seiner Privatsphäre oder Menschenwürde verletzt worden.

Hingegen hiess der Pressrat die Beschwerde im ersten Punkt, der Verletzung der Ziffer 3, gut: Zwar sei eine Anhörung nicht zwingend gewesen, weil die Vorwürfe nicht neu gewesen seien, doch wäre die «Weltwoche» «zumindest verpflichtet gewesen, darauf hinzuweisen, dass Elmer die Vorwürfe bestreitet». Zudem hätte Baur seine amtlichen Quellen zwingend nennen und darauf hinweisen müssen, dass das Verfahren nach wie vor hängig sei und Elmer die Vorwürfe bestreitet.

«Handwerklicher Fehler», gestand Alex Baur am Donnerstag gegenüber dem Klein Report ein: «Ich hätte effektiv darauf hinweisen müssen, dass Elmer diese Vorwürfe bestreitet.» Im Hauptpunkt aber, so der Journalist, habe er immerhin recht bekommen.