Seit acht Tagen ist der «Blick» in neuem Gewand. In einer Blitz-Umfrage des Klein Reports haben sich Journalisten, Kenner der Szene und Gelegenheits-«Blick»-Leser zum neuen Layout geäussert. Auch wenn die Meinungen stark ausseinander gehen, ist eines klar: Das klassische Seite-3-Girl vermisst nun wirklich niemand.
Urs Renner, Vice Managing Director von Media:cia:
«Spontan gesagt, gefällt mir der neue Blick gut. Ich bin positiv überrascht. Auch der Farbenmix kommt angenehm rüber. Zur Bild-Zeitung ist der Unterschied jetzt gross.»
Martin Hamburger, Kabarettist, Schriftsteller:
«Als Nicht-Blick-Leser muss mir die Zeitung ja nicht gefallen, doch bin ich über das neue Layout erstaunt: unauffällig, blass, zurückhaltend. Leicht zu verwechseln mit dem braven Tagblatt einer Kleinstadt von max. 20 000 Einwohnern. Klar: Das Boulevarblatt will nicht mehr Boulevard sein. Aber warum? Das Knallige, Grelle, Primitive am Blick hat mich immer irgendwie angezogen. Es hatte etwas Anrüchiges. Wenn mir ein Blick in die Finger kam, habe ich ihn gerne mal durchgeblättert, vor allem des Layouts wegen. An den gelben Aushang-Plakaten konnte ich nicht vorbeigehen, ohne sie zu lesen. Sie waren oft lustig, sogar poetisch. Ich habe vor Jahren mal eine Kabarett-Nummer über die Poesie der Blick-Schlagzeilen gemacht.»
Christoph Meier, Media-Director bei FCB Leutenegger Krüll:
«Kann man mit ein bisschen Softfarben und dem Verschwindenlassen des Seite-3-Girls Frauen dafür begeistern, den Blick zu lesen? Das bezweifle ich. 50 Prozent des Blicks bestehen nach wie vor aus Sport. Der Blick hat sich ja gar nicht so wahnsinnig verändert. Ich habe mich jedenfalls schon daran gewöhnt - an diese Pastelltöne. Was gut ist: Die Schrift ist lesbarer geworden. Der gescheite Spruch auf der Sportseite, da habe ich echt gerätselt, was das soll.»
Sylvia Steven, Tanzschaffende:
«Einen Vergleich zu früher kann ich nicht anstellen, da ich den Blick bisher selten zu Gesicht bekommen habe. Was mich aber anspringt, sind überwiegend schwarze und fette Schlagzeilen, viel buntes Bildmaterial und gross angelegte Werbung. Die Qualität mancher Fotos lässt noch sehr zu wünschen übrig. Zum Seite-3-Girl: Ich vermisse es nicht: Was ich nicht kenne, kann ich nicht vermissen. Habe aber auf Seite 31 ein TV-Girl gesehen - übernimmt sie jetzt den Job? Und soll denn eine Tageszeitung wie der Blick erotische Wunschphantasien wecken, und wenn ja bei Frauen und/oder Männern? Vom vielen Blick-Durchblättern habe ich jedenfalls ganz schwarze Finger bekommen.»
Bruno Eichenberger, Werbetexter und Lehrer:
«Dieser Schriftensalat auf einem bunten Patchworkbett von Pastellfarben wirkt doch sehr appetitlich. In Zeiten harter internationaler, nationaler, gesellschaftlicher und privater Konfrontationen wirken die pastellfarbigen Aufheller doch irgendwie beruhigend. Blick als Mediator und Aufheller? Ist der Boulevard so farblos geworden? Gibt es das Seite-3-Girl tatsächlich nicht mehr? Ist mir gar nicht aufgefallen. Wie wollen die vom Blick jetzt noch Hits auf ihre Homepage generieren? Das neue Bibelzitat finde ich gut und nützlich. In Bush-Zeiten sollten wir uns alle rhetorisch wappnen.»
Guy Lang, Redaktor jobindex media ag und ehemaliger Blick-Kulturredaktor:
«Generell gefällt mir das neue Layout ganz gut: klar, luftig, übersichtlich. Die Farben sind schön bunt: Gibts keine Töne zwischen knallig und blass? Mit den vielen, ebenfalls bunten, Bildern fehlen hingegen ruhige Stellen fürs genussvolle Lesen. Was? Das Girl fehlt? Ist mir nicht besonders aufgefallen, habe es auch früher kaum bemerkt. Erotik habe ich im Blick sowieso selten gefunden. Anmerkung: Neue Kleider verändern den Charakter nicht. Und: Nach wie vor Chapeau vor Jürg Ramspeck und seiner täglichen Kolumne.»
Barbara Züst, freie Journalistin:
«Eine eindeutige Verbesserung: Die Seiten sind übersichtlicher und ruhiger, weniger optischer Wirrwarr als früher. Die ruhigeren Farben wirken moderner, sie machen den Blick etwas stilvoller und weniger billig. Das Girl vermisse ich sicher nicht. Ich lese Elianes Kolumne, zudem ist meine Fantasie mehr wert als jedes Bild. Auf das Bibelzitat würde ich gerne verzichten, das ist mir viel zu eindeutig christlich orientiert. Warum nicht Philosophisches aus diversen Quellen?»
Markus Marchel, Verkaufs- und Anzeigenleiter bei hotelleriesuisse:
«Das neue Layout ist zeitgemäss, nicht schlecht. Doch der Blick ist immer noch eine Boulevard-Zeitung, ganz klar. Die Headlines sind zwar nicht mehr so gross, doch stechen sie immer noch ins Auge. Erotik im Blick interessiert mich nicht. Wenn ich den Blick kaufe, dann sind das Spontankäufe, wegen einer Schlagzeile, wegen einem Bericht im Radio.»
Montag
19.05.2003