Mehr als 150 UN-Mitgliedstaaten haben den Migrationspakt in Marrakesch unterzeichnet. Die Bundeskanzlerin Angela Merkel reiste persönlich nach Marokko und nutzte ihren Aufenthalt dazu, engagiert für den umstrittenen Pakt zu werben.
Regula Stämpfli kommentiert für den Klein Report die mediale Berichterstattung rund um den Migrationspakt.
Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) mit Sitz in Genf schätzt die Zahl der Arbeitsmigranten auf 164 Millionen Menschen. Menschen, die vor Hunger, Krieg und Katastrophen fliehen, sind nicht mitgezählt. Die Arbeitsmigration steigt gemäss ILO-Dokumenten kontinuierlich, letztes Jahr waren es zehn Prozent.
Mit dem Migrationspakt werden nicht die Ursachen der Arbeitsmigration - wie fehlende Demokratie, fehlende Gleichstellung zwischen Mann und Frau und fehlende Bildung - bekämpft, sondern die Bedingungen für die Arbeitsmigration verbessert. Migration wird im Pakt als «Quelle des Wohlstands» gepriesen.
Der Migrationspakt ist strukturell gesehen ein internationales Instrument zwecks Regelung eines globalen und freien Personenverkehrs. Gleichzeitig ist der Migrationspakt ein Instrument zur Lenkung politischer Kommunikation: Er setzt fest, dass in Zukunft weniger oder kein öffentliches Geld für Medien ausgegeben werden soll, die Migration diskriminierend besprechen. Im Abschlussdokument wird Migration als «regulär» bezeichnet, eine Formulierung, die unterschiedlich interpretiert werden kann.
Wurde in den deutschsprachigen Medien neutral über den Migrationspakt berichtet? Trug die mediale Berichterstattung zu einer gesamtgesellschaftlichen Erörterung über Arbeitsmigration bei? Herrschte Meinungspluralismus? Konnten sich die Bürger und Bürgerinnen in den westlichen Demokratien über den Migrationspakt informieren und aus der Information eine eigene Meinung bilden?
Der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 nicht unähnlich kam es bei der medialen Verarbeitung des Migrationspakts in den deutschsprachigen Medien zu einer Information entlang der politischen Polarisierung Freund/Feind. Eine offene Diskussion über die Unmenge an diplomatischen Floskeln im Migrationspakt, über die Wirkung von sogenanntem «soft law», über den Druck gegen real existierende Demokratien mittels globaler Personenfreizügigkeit, mittels forciertem Freihandel für Kapital, Dienstleistungen und Waren fand kaum statt.
Information breitete sich als Propaganda der jeweiligen politischen Lager aus. Die Medien liessen sich in eine Kampagne pro oder kontra Migrationspakt einspannen. Die Opposition zum Migrationspakt wurde durch Stimmen aus dem rechtsextremen und rechtspopulistischen Lager und den rechtspopulistisch regierten Ländern abgebildet. Dass beispielsweise auch Sahra Wagenknecht von der Linken sich ebenso kritisch zum Migrationspakt äusserte, kam kaum zur Sprache.
Der Migrationspakt in den Medien zeigt, wie sehr die Methode Trump auch in Europa Einzug gehalten hat. Informativ-vermittelnde und distanziert-kritische Medienberichte wären bei derart schwierigen Themen wie Migration doppelt notwendig. Politische Positionen werden aber in polarisierten Geschäften nicht mehr abgebildet, sondern als Medienpositionen eins zu eins vermittelt. Darunter leidet der Qualitätsjournalismus und mit ihm die demokratische Entscheidungsfindung.