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Donnerstag
13.02.2025

Medien / Publizistik

Benjamin Mendy (r.) bei seiner Präsentation mit FCZ-Sportchef Milos Malenovic... (Bild: FCZ / zVg)

Benjamin Mendy (r.) bei seiner Präsentation mit FCZ-Sportchef Milos Malenovic... (Bild: FCZ / zVg)

Es ist ein Novum im Schweizer Fussball. Der Fussball Club Zürich (FCZ) rechtfertigt sich für den Transfer des Franzosen Benjamin Mendy vor der Frauenzentrale.

Der Franzose Benjamin Mendy hat – gelinde gesagt – einen verbesserungsfähigen Ruf. Der 30-jährige Verteidiger gewann als Fussballer zwar fast alles, was es zu gewinnen gibt – darunter mit Frankreich 2018 den WM-Titel. 

Doch ein anderes biographisches Detail wiegt heute viel schwerer. Mendy war im August 2021 von der Polizei von Cheshire (England) verhaftet worden – wegen des Vorwurfs der vierfachen Vergewaltigung und sexuellen Nötigung. Mehrere Monate verbrachte er in Untersuchungshaft. Erst im Januar 2022 kam er gegen Kaution frei.

Im folgenden Prozess wurde Mendy zwar in allen Anklagepunkten freigesprochen (nach dem Grundsatz «in dubio pro reo»), in den Verhandlungen kamen aber Details zur Sprache, die den gesamten Profifussball in einen verheerendes Licht stellen. Kernaussagen: Die hochbezahlten Profis leben ihre Triebe schamlos aus, nehmen sich, was sie wollen, und behandeln Frauen als reine Lustobjekte. So schreibt die «Neue Zürcher Zeitung» in ihrer Ausgabe vom Donnerstag: «Der FC Zürich verpflichtet einen sexbesessenen Spieler.»

Reagiert hat die Frauenzentrale Zürich, der Dachverband von Frauenorganisationen im Kanton. Sie kritisiert den FCZ wegen des Transfers scharf, fordert den Klub auf, dass er Stellung bezieht und den Entscheid verantwortet. 

Nun äussert sich FCZ-Präsident Ancillo Canepa, der den Verein zusammen mit seiner Ehefrau Heliane Canepa führt via Mediencommuniqué. Den Verantwortlichen des Klubs sei die Vorgeschichte des Spielers bekannt gewesen, heisst es. Der FCZ habe den Sachverhalt vor der Verpflichtung sorgfältig geprüft und aufgrund des damaligen Freispruchs des Gerichts in England entschieden, den Spieler zu verpflichten: «Der weltbekannte Spieler wurde nicht verurteilt und es gab keine weiteren Gründe, warum der FCZ von einer Verpflichtung hätte absehen müssen.»

Bezüglich der Vorwürfe der Frauenzentrale schreibt der Klub: Die Klubführung, Ancillo und Heliane Canepa, nehme die Kritik ernst und habe sich am Donnerstag mit der Geschäftsführerin der Frauenzentrale Zürich, Olivia Frei, getroffen und ausgesprochen. 

Ancillo Canepa sagte in diesem Gespräch: «Wir möchten an dieser Stelle klar und deutlich zum Ausdruck bringen, dass wir die Anliegen der Frauenzentrale im Grundsatz vorbehaltlos unterstützen. Auch wir vom FCZ lehnen jede Art von Gewalt, insbesondere gegen Frauen und Kinder, strikte ab. Dementsprechend haben wir in der Vergangenheit in einigen Fällen sofort reagiert und diese sanktioniert. Hingegen sind wir nach wie vor der Meinung, dass wir die Vorgeschichte des Spielers Benjamin Mendy aus Persönlichkeitsschutz richtigerweise nicht erwähnt haben».

Des Weiteren betont der Klub seine gesellschaftliche Verantwortung und sein Engagement im Nachwuchs- und im Frauenfussball. Auch die sozialen und kulturellen Engagements (beispielsweise mit dem FCZ-Museum) werden betont.

So richtig diese Bemerkungen sind und so sehr jeder Mensch eine zweite (oder dritte) Chance verdient, so stark ist aber auch der Nachgeschmack, der zurückbleibt. Es ist der Nachgeschmack der Doppelmoral und des Opportunismus. 

Unlängst hatte der FC Zürich einen Nachwuchsspieler (Labinot Bajrami) nach Winterthur strafversetzt, weil sich dieser abschätzig über den Trainer geäussert hatte. Auch andere Spieler (Cheick Condé, Jonathan Okita), die gegen die Führungsweise von Trainer und Sportchef opponierten, wurden (faktisch) vor die Türe gestellt. 

Und jetzt holt man einen Spieler, der die Sitten des Anstands mit Füssen tritt. Der Verdacht, dass sich der Klub der Doppelmoral schuldig macht, ist noch eine gnädige Beurteilung. Was den Nagel eher auf den Kopf trifft: Der FCZ hat seine eigenen moralischen Werte auf dem Grund des Zürichsees versenkt. Oder noch tiefer.