Der Fall Spiess-Hegglin gegen den «Blick» hat ein weiteres Gerichtsurteil gebracht: «Die Ringier AG («Blick») muss Jolanda Spiess-Hegglin für vier persönlichkeitsverletzende Artikel aus den Jahren 2014 und 2015 den Gewinn von CHF 309’531 plus Zinsen herausgeben.»
Chefredaktorin und Gründerin des Klein Reports, Ursula Klein, zum spektakulären Gerichtsurteil.
Das Team um Spiess-Hegglin mit Medienanwältin Rena Zulauf kämpft seit Jahren durch alle Instanzen wegen der persönlichkeitsverletzenden Medienberichterstattung im Nachgang zur Landammanfeier im Dezember 2014. Damals sind sich die beiden Lokalpolitiker Markus Hürlimann und Jolanda Spiess-Hegglin näher gekommen, es kam zu einem Sexualkontakt.
Was nach der monströs falsch gelaufenen Berichterstattung des Boulevardblattes aus dem Ringier-Verlag ablief, führt nun zu einem wegweisenden Urteil mit einer Gewinnherausgabe. «Das Urteil ist ein Meilenstein im Medienrecht. Es bekräftigt den Rechtsgrundsatz ‘Unrecht darf sich nicht lohnen’», sagte die Anwältin Rena Zulauf am Montagmorgen auf Anfrage des Klein Reports.
Ringier macht das, was Ringier immer macht: «Ringier wird das Urteil entsprechend anfechten», heisst es in einem Statement von Ladina Heimgartner, Head Media & CEO Ringier Medien Schweiz, am Montagmorgen auf das Urteil des Zuger Kantonsgerichts. Bald sieht man sich also vor dem Obergericht des Kantons Zug wieder.
Um es vorwegzunehmen: Das ist nicht die Ebene Funktionärin, die ein Statement abzugeben hat. Die Berichterstattung über die Ereignisse zähle nicht «zu den publizistischen Sternstunden dieses Landes und des Blicks», heisst es zu Beginn. Die Art und Weise, wie vor 10 Jahren über die Ereignisse berichtet worden sei, sei Ausdruck eines harten Boulevardstils, «den Blick längst nicht mehr praktiziert, und das ist gut so», schreibt Heimgartner.
Der in grossen Teilen misogyne Fall Spiess-Hegglin ist ein Fall Ringier, ein Fall Marc Walder, ein Fall Matthias Schwaibold, ein Fall Michael Ringier, ein Fall Ellen Ringier und ein Fall Ladina Heimgartner. Es ist also ein Fall Ringier und nicht ein Fall Schweiz.
Zuerst eine beispiellose mediale Kampagne gegen eine Frau, die ob schuldig oder nicht, sich mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln wehrte und so auch wieder unschöne Gegenattacken produzierte.
Anstatt Heimgartner, müsste Michael Ringier jetzt hinstehen. Managerin Heimgartner versucht mit den aktuellen Ringier-Anwälten um Markus Prazeller und Manuel Liatowitsch entlastende Themen in den Vordergrund zu spielen, wie beispielsweise die Feststellung des Kantonsgerichts Zug 2020, «dass der Blick mit seiner Berichterstattung Jolanda Spiess-Hegglins Persönlichkeitsrechte verletzt hat». Ringier habe dieses Urteil akzeptiert. Und weiter: «Bereits zuvor hatte unser Group CEO, Marc Walder, öffentlich bei Jolanda Spiess-Hegglin um Entschuldigung gebeten. Auf eine von uns vorgeschlagene aussergerichtliche Einigung wollte sich Jolanda Spiess-Hegglin bislang nicht einlassen.»
Mit gutem Grund, wie das Zuger Kantonsgericht jetzt urteilte.
Der Ringier-Text unter dem Namen Ladina Heimgartner verweist dann aber darauf, dass es hier um eine «Gewinnherausgabe» gehe. «Spiess-Hegglin fordert für die vier Artikel 431’527 Franken plus 5 Prozent Zinsen. Demgegenüber hat Ringier die tatsächlich erzielten Geschäftszahlen rekonstruiert, im Detail dargelegt und mit einem Gutachten des Wirtschaftsprüfers PwC belegt. Der tatsächliche Gewinn belief sich auf einen kleinen Bruchteil der geforderten Summe», so Heimgartner und verweist darauf, dass das Gericht die von Ringier offengelegten Geschäftszahlen ignorierte.
Und wieder wird ein fataler überheblicher Gedankensprung gemacht: «Hätten wir 2014 (als das Online-Geschäft noch bei Weitem nicht so entwickelt war wie heute) solche Gewinne erzielt, hätten wir heute keine Finanzierungskrise der Medien.»
Der Fall Spiess-Hegglin ist nicht ein Fall «Finanzierungskrise der Medien». Der Fall Spiess-Hegglin ist ein Fall Ringier.
Lassen wir doch einmal die nächste Instanz entscheiden, wenn sie denn wirklich angerufen wird. Denn dieses Urteil «gefährdet die Medienfreiheit in unserem Land» ist doch gar alarmistisch, wie Heimgartner & Co. finden.
Deshalb darf dieser Satz ersatzlos gestrichen werden: «Journalistinnen und Journalisten werden unter diesen Vorzeichen das ‚Risiko‘ einer personenbezogenen Berichterstattung kaum mehr eingehen wollen.»
Der Schweizer Journalismus habe auch die Aufgabe, «die Mächtigen und die Machtzentren dieses Landes zu überwachen und Fehlverhalten an die Öffentlichkeit zu tragen».
Noch ein Satz von Funktionärsseite fürs ersatzlose Streichen: «Wenn dem Journalismus aber derartige ‚Strafzettel‘ blühen, werden Journalistinnen und Journalisten künftig zweimal überlegen, ob sie dieser Kernaufgabe wirklich konsequent nachkommen wollen.»
Mächtige und die Machtzentren überwachen? Aber liebe Ringiers, genau das ist hier doch passiert.