Es waren vor allem zwei Dinge, mit denen Referent Oliver Reichenstein die Zuhörer am diesjährigen Trendbrunch der International Advertising Association aufhorchen liess. Erstens solle man sich nicht von Zahlen beeindrucken lassen, besonders von grossen nicht. Und zweitens solle man sich nicht scheuen, etablierte Prozesse immer wieder zu hinterfragen und zu überprüfen.
Diese beiden Aussagen leitete der studierte Philosoph gekonnt her. Zu Beginn des Referats mit dem Titel «Von Daten zur Weisheit! Wie uns die Entropie weiterhelfen kann» ratterte er vor 80 Zuhörern im Sorell Hotel auf dem Zürichberg ein paar Zahlen zu den Auswirkungen der Informationstechnologie herunter: 15 Millionen Bücher wurden in den USA im letzten Jahr veröffentlicht, 50 Millionen neue Websites sind entstanden, 8 Billionen SMS wurden verschickt und gar 52 Billionen E-Mails.
«Optimisten gehen davon aus, dass Daten irgendwann zu Informationen führen. Daraus lässt sich wiederum Wissen gewinnen, was schliesslich zur Weisheit führt», erklärte Reichenstein. Doch wie viel Weisheit geht aus 52 Billionen E-Mails hervor?
52 Billionen sei eine enorme Zahl, da müsste doch etwas hängen bleiben. «Doch man darf sich von der grossen Zahl nicht täuschen lassen: Zwei Drittel dieser E-Mails sind Spam-Mails», sagte Reichenstein. Zahlen müssten immer hinterfragt werden.
Denn Informationstechnologien hätten mit den daraus resultierenden hohen Zahlen eine ziemliche Sauerei angerichtet. «Das ist etwas, das wir Menschen ja gut können. Und das sich auch nicht verhindern lässt.» Reichenstein, Gründer der Designagentur «iA Inc» mit Niederlassungen in Tokyo und Zürich, verlor sich bisweilen ein bisschen in seinen Ausführungen, was wohl daran lag, dass er nur selten die Notizen, die er ins Smartphone getippt hatte, zu Hilfe nahm.
«Doch wenn wir Menschen etwas Zweites gut können, ist es aufräumen», sagte Reichenstein. Auch er selber fand den roten Faden immer wieder: «Um aufzuräumen, muss man immer wieder den inneren Schweinehund überwinden», sagte er und schlug damit die Brücke zur Praxis.
«Wenn Sie mit Ihrem Unternehmen vorankommen möchten, müssen Sie auch immer wieder den `inneren Schweinehund` überwinden. Sie müssen den unbequemen Weg gehen: Etabliertes hinterfragen - und immer wieder nachhaken», sagte er. Denn nur so gelange man von der Unordnung roher Daten zur Weisheit der Ordnung.
Wichtig sei es also, sich auf Prozesse zu konzentrieren. Wenn die Abläufe nicht stimmten, könne das ganze Projekt scheitern. Das sehe man im Moment bei Social-Media-Accounts von Unternehmen. Viele würden sich zu stark auf ihr Image fokussieren, anstatt den gesamten Prozess eines Social-Media-Auftritts im Auge zu haben. Das wirke verkrampft.
Reichenstein erhielt positive Feedbacks auf sein Referat. «Besonders gut fand ich den Hinweis, vorsichtig mit Zahlen zu sein», sagte Markus Gut, Kreativchef bei Advico Y&R, gegenüber dem Klein Report. Der Kommunikationsfachmann fand Reichensteins Rede gut - «auch wenn er sich manchmal in seinen Ausführungen etwas verloren hat».
Auch Léonie van de Vijfeijken, Customer Relationship Manager beim WWF, war zufrieden: «Das Referat hat mir gut gefallen und ich bin motiviert, die Ausführungen in meine tägliche Arbeit einfliessen zu lassen. Besonders wichtig finde ich die Anmerkung, Prozesse immer wieder zu überprüfen», sagte sie gegenüber dem Klein Report.